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Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Titel: Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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daß er die ganze Zeit über immer hatte taktvoll sein wollen, daß er nicht hatte unverblümt damit herausplatzen wollen am Telephon in Rom, daß er aber jetzt den Eindruck habe, sie verstünde auch so schon. Er und Dickie seien sehr glücklich miteinander, und nun wisse sie es. Tom fing an zu kichern, vergnügt, unbeherrscht, und er erstickte das Kichern, indem er sich die Nase zuhielt und planschend untertauchte.
    Liebe Marge, würde er sagen, ich schreibe Ihnen dies, weil ich nicht glaube, daß Dickie es jemals tun wird, obwohl ich ihn schon so oft darum gebeten habe. Sie sind ein viel zu nettes Mädchen, als daß man Sie auf diese Art so lange hinhalten dürfte . . .
    Wieder kicherte er, und dann ernüchterte er sich wieder, indem er sich bewußt auf das eine kleine Problem konzentrierte, das er noch nicht gelöst hatte: Marge hatte der italienischen Polizei wahrscheinlich auch erzählt, daß sie im »Inghilterra« mit Tom Ripley gesprochen hätte. Die Polizisten würden sich gewiß fragen, wohin zum Teufel er verschwunden war. Möglicherweise suchte die Polizei ihn jetzt in Rom. Sicherlich würde die Polizei in der Nähe von Dickie Greenleaf nach Tom Ripley suchen. Es war eine Gefahr mehr - sie mochten ja jetzt zum Beispiel auf den Gedanken kommen, er sei Tom Ripley, allein der Beschreibung nach, die Marge von ihm gegeben hatte, sie mochten kommen, ihn ausziehen und durchsuchen und beide Pässe, Dickies und seinen, bei ihm finden. Aber was hatte er gesagt über Gefahren? Die Gefahren waren es, die einer Sache erst Reiz verliehen. Laut fing er zu singen an:
    Papa non vuole, Mama ne meno,
Come faremo far´ l´amor?
    Er grölte es heraus in seinem Badezimmer, während er sich abtrocknete. Er sang in Dickies lautem Bariton, den er nie gehört hatte, aber er war sicher, Dickie wäre zufrieden gewesen mit dem Klang.
    Er kleidete sich an, zog einen seiner neuen, knitterfreien Reiseanzüge an und schlenderte hinaus in das Dämmer Palermos. Dort drüben, quer über die Plaza, stand die große, normannisch beeinflußte Kathedrale, von der er schon gelesen hatte, sie war von dem englischen Erzbischof Walter-of-the-Mill erbaut worden, das wußte er aus einem Reiseführer. Dort im Süden dann lag Syrakus, Schauplatz einer riesigen Seeschlacht zwischen den Römern und den Griechen. Und das Ohr des Dionysos. Und Taormina. Und der Ätna! Es war eine große Insel, und für ihn war sie ganz neu. Sizilien! Hochburg des Giuliano! Kolonisiert von den alten Griechen, besetzt von Normannen und Sarazenen! Morgen würde er richtig mit dem Besichtigen anfangen, aber dieser Augenblick war erhebend, dachte er, als er stehenblieb, um an dem hohen Turm der Kathedrale hinaufzustarren. Wunderbar, sich die staubigen Bögen ihrer Fassade anzusehen und daran zu denken, daß man morgen hineingehen würde, wunderbar, sich den modrigen, süßlichen Geruch im Innern vorzustellen, der von den unzähligen, in Hunderten und aber Hunderten von Jahren abgebrannten Kerzen und Weihrauchstäbchen stammte. Erwarten! Es ging ihm durch den Sinn, daß sein Erwarten stets freundlicher mit ihm umgegangen war als sein Erleben. Ob das immer so bleiben sollte? Wenn er seine einsamen Abende damit zubrachte, Dickies Sachen zu befühlen oder einfach nur die Ringe an seinen Fingern zu betrachten oder die Wollschlipse oder die schwarze Brieftasche aus Krokodilleder - war das Erleben oder Erwarten?
    Hinter Sizilien lag Griechenland. Griechenland wollte er unbedingt sehen. Er wollte Griechenland sehen als Dickie Greenleaf, mit Dickies Geld, Dickies Sachen, Dickies Art Fremden gegenüber. Ob es möglich war, daß er Griechenland nicht als Dickie Greenleaf erleben konnte? Ob sich eins nach dem anderen gegen ihn erheben würde - Mord, Mißtrauen, Menschen ? Er hatte nicht zu morden gewünscht. Es war eine Notwendigkeit gewesen. Der Gedanke, als Tom Ripley nach Griechenland zu fahren, sich über die Akropolis zu schleppen als Tom Ripley, amerikanischer Tourist, hatte nicht den geringsten Reiz für ihn. Dann führe er lieber erst gar nicht hin. Tränen traten ihm in die Augen, als er zum Kirchturm hinaufstarrte, dann wandte er sich ab und begann, eine unbekannte Straße entlangzugehen.
    Am nächsten Morgen war Post für ihn da, ein dicker Brief von Marge. Tom rieb ihn prüfend zwischen Daumen und Zeigefinger, er lächelte. Es war genau das, was er erwartet hatte, ganz bestimmt, sonst wäre der Brief nicht so dick. Er las ihn zum Frühstück. Zusammen mit den frischen, noch

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