Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley
gebraucht werde.«
»Palermo«, echote der Offizier. »Ebbene, das ist vielleicht zu machen. Darf ich Ihr Telephon benutzen?« Tom zündete sich eine italienische Zigarette an und hörte zu, wie der Offizier nach Capitano Aulicino fragte und dann mit teilnahmsloser Stimme meldete, daß Signor Greenleaf nicht wisse, wo sich Signor Ripley aufhalte, daß Signor Ripley vielleicht nach Amerika zurückgekehrt sei oder daß er nach Auffassung Signor Greenleafs in Florenz oder Faenza sein könnte. »Faenza«, wiederholte er deutlicher, »bei Bologna.« Als der Mann das hatte, sagte der Offizier, daß Signor Greenleaf heute nach Palermo zu fahren wünsche. »Va bene. Benone.« Der Offizier wandte sich Tom zu, er lächelte. »Ja, Sie können heute nach Palermo fahren.«
»Benone. Grazie.« Er geleitete die beiden zur Tür. »Wenn Sie Tom Ripley ausfindig machen, würde es mich freuen, wenn Sie es auch mich wissen ließen«, sagte er treuherzig.
»Natürlich! Wir werden Sie auf dem laufenden halten, Signor. Buon´ giorno!«
Wieder allein, fing Tom an zu pfeifen und packte die paar Sachen, die er seinen Koffern entnommen hatte, wieder ein. Er war stolz auf sich, weil er Sizilien gesagt hatte und nicht Mallorca, denn Sizilien war noch Italien und Mallorca nicht, und verständlicherweise war die italienische Polizei eher bereit, ihn wegzulassen, wenn er auf ihrem Territorium blieb. Das hatte er sich überlegt, als ihm eingefallen war, in Tom Ripleys Paß wäre ja nicht vermerkt, daß er nach dem San Remo-Cannes-Ausflug noch einmal in Frankreich war. Marge aber hatte er geschrieben, Tom Ripley wollte nach Paris hinauffahren und von dort aus heimfahren nach Amerika. Falls sie jemals Marge darüber ausfragten, ob Tom Ripley nach dem San Remo-Ausflug in Mongibello gewesen wäre, dann würde sie möglicherweise als Zugabe erzählen, er wäre später nach Paris gegangen. Und wenn er je wieder zu Tom Ripley werden und der Polizei seinen Paß vorweisen müßte, dann würden sie feststellen, daß er nach der Cannes-Reise nicht mehr in Frankreich gewesen war. Aber er brauchte ja bloß zu sagen, daß er das Dickie gegenüber zwar geäußert, daß er sich dann aber eines anderen besonnen hätte und in Italien geblieben wäre. Es war alles nicht so schlimm.
Plötzlich ließ Tom von seinen Koffern ab und richtete sich auf. War das ganze vielleicht bloß ein Trick? Wollten sie ihn vielleicht bloß ein bißchen an die lange Leine nehmen, indem sie ihn, den scheinbar Unverdächtigen, nach Sizilien fahren ließen? Eine durchtriebene kleine Schlange, dieser Offizier. Einmal hat er gesagt, wie er hieß. Wie war es doch gleich? Ravini? Roverini? Gut, und was versprach man sich davon, wenn man ihn an die lange Leine nahm? Er hatte ihnen genau mitgeteilt, wohin er fahren wollte. Er hatte keineswegs vor, sich vor irgend etwas aus dem Staube zu machen. Er wollte nichts weiter als weg von Rom. Er brannte darauf, wegzukommen! Tom pfefferte die letzten Stücke in den Koffer, knallte den Deckel zu und schloß ab.
Wieder das Telephon!
Tom riß den Hörer ans Ohr. »Pronto?«
»Oh, Dickie . . .!« Es war nur ein Hauch.
Das war Marge, und sie stand unten, er hörte es. Verstört sagte er mit Toms Stimme: »Wer ist da?«
»Ist dort Tom?«
»Marge! Ja, hallo! Wo sind Sie?«
»Ich bin hier im Hotel. Ist Dickie da? Darf ich ´raufkommen?«
»Sie können in etwa fünf Minuten heraufkommen«, sagte Tom mit einem Lachen. »Ich bin noch nicht ganz angezogen.« Unten wurde man zum Telephonieren immer in eine Kabine geschickt, überlegte Tom. Das Personal konnte sie also nicht belauschen.
»Ist Dickie da?«
»Im Moment nicht. Er ist vor ungefähr einer halben Stunde weggegangen, aber er muß jeden Augenblick zurück sein. Ich weiß, wo er ist, wenn Sie hingehen wollen.«
»Wo?«
»Beim dreiundachtzigsten Polizeirevier. Nein, entschuldigen Sie, es ist das siebenundachtzigste.«
»Ist er irgendwie in Schwierigkeiten?«
»Nein, er muß bloß Fragen beantworten. Um zehn sollte er dort sein. Soll ich Ihnen die Adresse geben?« Er wünschte jetzt, er hätte nicht mit Toms Stimme zu reden angefangen! Wie leicht hätte er so tun können, als wäre er ein Hotelbediensteter, ein Freund Dickies, irgendein Mensch, und er hätte ihr erzählen können, Dickie bliebe noch stundenlang weg.
Marge seufzte. »Nei-ein. Ich warte hier auf ihn.«
»Hier habe ich´s!« sagte Tom, als hätte er es gerade gefunden. »Via Perugio Nummer einundzwanzig. Wissen sie, wo das ist?«
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