Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley
gegen ihn. Tom fühlte sich plötzlich schuldlos und stark, so frei von Schuld wie sein alter Koffer, von dem er mit großer Sorgfalt den Deponimento- Aufkleber der Gepäckaufbewahrung von Palermo abgescheuert hatte. Er sagte auf seine ernste, vorsichtige Ripley-Art: »Ich erinnere mich, daß Marjorie in Mongibello eine Zeitlang gesagt hatte, sie führe nicht nach Cortina, und daß sie später dann ihren Entschluß änderte. Warum, das weiß ich allerdings nicht. Wenn das irgendeine Bedeutung hat . . .«
»Aber sie ist doch nicht nach Cortina gefahren.«
»Nein, aber nur deshalb nicht, weil Signor Greenleaf nicht gefahren ist, glaube ich. Jedenfalls hat Signorina Sherwood ihn wohl so gern, daß sie nicht allein auf eine Reise gehen würde, die sie gemeinsam mit ihm hatte machen wollen.«
»Glauben Sie, daß sie sich gestritten haben - Signor Mie-lais und Signor Greenleaf, über Signorina Sherwood?«
»Das kann ich nicht sagen. Möglich ist es. Ich weiß, daß auch Signor Miles sie sehr gern hatte.«
»Ah-ha.« Der Tenente legte die Stirn in Falten und mühte sich, aus all dem schlau zu werden. Er sandte einen Blick hinauf zu dem jüngeren Polizisten, der ganz offensichtlich zuhörte, der aber, seiner unbeweglichen Miene nach zu urteilen, nichts dazu zu bemerken hatte.
Was er gesagt hatte, überlegte Tom, das ließ Dickie als einen eifersüchtigen Liebhaber erscheinen, der nicht gewillt war, Marge nach Cortina fahren und sich ein bißchen amüsieren zu lassen, weil sie Freddie Miles zu gern mochte. Die Vorstellung, irgend jemand, Marge insbesondere, sollte diesen glotzäugigen Ochsen mehr lieben als Dickie, machte Tom lächeln. Er wandelte das Lächeln um in die Miene des Nichtbegreifenkönnens. »Glauben Sie tatsächlich, Dickie liefe vor irgend etwas davon, oder halten Sie es für Zufall, daß Sie ihn nicht finden können?«
»O nein. Dafür ist es doch zuviel. Erstens die Sache mit den Unterschriften. Vielleicht wissen Sie etwas darüber aus den Zeitungen.«
»Das mit den Unterschriften habe ich nicht ganz begriffen.«
Der Offizier erklärte es ihm. Er wußte genau die Daten der Schecks und die Anzahl der Leute, die sie für gefälscht hielten. Er erklärte, daß Signor Greenleaf die Frage, ob es Fälschungen seien, verneint habe. »Aber wenn ihn dann die Bank wegen einer gegen ihn begangenen Fälschung zu sich bestellt, und wenn auch die Polizei ihn wegen der Ermordung seines Freundes nach Rom vorlädt, und er verschwindet plötzlich spurlos . . .« Der Tenente riß die Arme hoch. »Das kann doch nur bedeuten, daß er vor uns davonläuft!«
»Sie sind nicht der Meinung, daß man ihn ermordet haben könnte?« fragte Tom sanft.
Der Offizier zuckte die Achseln, seine Schultern verharrten mindestens eine Viertelminute hochgezogen an den Ohrläppchen. »Das glaube ich nicht. Die Tatsachen sprechen nicht dafür. Nicht ganz. Ebbene - wir haben per Funk auf jedem nicht ganz kleinen Schiff angefragt, das mit Passagieren an Bord Italien verlassen hat. Er hat entweder ein kleines Boot genommen, und es müßte dann so klein gewesen sein wie ein Fischerboot, oder aber er versteckt sich in Italien. Oder selbstverständlich auch irgendwo im übrigen Europa, denn wir halten gewöhnlich nicht die Namen der Leute fest, die unser Land verlassen, und Signor Greenleaf hatte mehrere Tage Zeit, unser Land zu verlassen. Auf jeden Fall aber versteckt er sich. Auf jeden Fall handelt er verdächtig. Irgend etwas ist nicht in Ordnung.«
Tom starrte den Mann mit feierlichem Ernst an.
»Haben Sie je gesehen, wie Signor Greenleaf eine von diesen Anweisungen unterschrieb? Insbesondere die Anweisungen für Januar und Februar?«
»Ich habe ihn eine unterschreiben sehen«, sagte Tom, »aber das war leider im Dezember. Im Januar und Februar war ich nicht mit ihm zusammen. - Haben Sie allen Ernstes den Verdacht, daß er Signor Miles ermordet haben könnte?« fragte Tom noch einmal ganz fassungslos.
»Er hat im Grunde kein Alibi«, erwiderte der Offizier. »Er sagt, er hätte einen Spaziergang gemacht, nachdem Signor Mie-lais gegangen war, aber niemand hat ihn spazierengehen sehen.« Urplötzlich stieß sein Zeigefinger gegen Toms Brust vor. » Und - von dem Freund des Signor Mie-lais, von Signor Van Houston haben wir erfahren, daß es Signor Mie-lais durchaus nicht leichtgefallen ist, Signor Greenleaf in Rom ausfindig zu machen - gerade als wollte Signor Greenleaf sich vor ihm verstecken. Vielleicht war Signor Greenleaf böse auf
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