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Tom Thorne 05 - In der Stunde des Todes

Titel: Tom Thorne 05 - In der Stunde des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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gesehen. Zwar hatte er sich umgehört, doch dabei hatte er nichts erfahren, was er nicht ohnehin schon wusste. Spike und Irgendwann-mal-Caroline waren beide zutiefst aufgewühlt durch Terrys Tod. Die Nachricht hatte sie schwer getroffen, hatte Holy Joe gesagt. Ein merkwürdiger Gedanke schoss Thorne durch den Kopf. Hätte es sie genauso schwer getroffen, wenn er umgebracht worden wäre?
    »Ich muss einfach abwarten, bis sie wieder auftauchen«, sagte Thorne.
    »Die tauchen bestimmt wieder auf.«
    Das sah Thorne genauso. Aber ihm war klar, wie Drogensüchtige in Krisen reagierten, wenn ihr Alltag durcheinander gewirbelt wurde oder sie aus der Bahn geworfen wurden. Er konnte nur hoffen, dass Spike und Caroline bald wieder auftauchten, und zwar nicht als Namen auf einer langen Liste von Drogentoten.
    Du setzt mir zuerst die Spritze, okay? Von wegen. Ich setz mir die Spritze, und dann dir.
    Essig und Plastikzitronen und eine Überdosis, in einem Karton, der ohnehin schon wie ein Sarg aussah …
    »Tom?«
    »Ich höre.«
    »Ich hab gesagt, die tauchen bestimmt wieder auf.«
    Thorne blickte auf und lächelte. »Klar doch.«
    »Es ist schon … schwer beeindruckend, wie sehr es Leute in ihrer Lage trifft, wenn sie jemanden verlieren, weißt du?« Das Bier machte sich in Hendricks’ Tonfall bemerkbar. »Dass diese Beziehungen so tief gehen. Ich meine, Brendan quatscht mir deshalb ständig die Ohren voll, aber ich hab es erst kapiert, als diese Morde anfingen. Wie die Obdachlosen zusammenhalten.«
    »Brendan hat Recht«, sagte Thorne. »Sie sind zwar ein bisschen durchgeknallt, aber sie lassen sich nicht im Stich.«
    »Glaubst du, sie überstehen das? Ich meine, ich weiß, es heißt, die Leute halten in schwierigen Zeiten besser zusammen … Wird wohl so sein.«
    »Die kommen schon drüber weg.« Während er sprach, spürte Thorne eine Sicherheit, die vor ein paar Wochen so nicht da gewesen wäre. Er sah die Gesichter der Leute vor sich, die er seither auf der Straße kennen gelernt hatte. Darin war manchmal Scham zu lesen, manchmal Wut. Er hatte Krankheiten gesehen, Verzweiflung und einen Hunger nach einer ganzen Reihe von Dingen, die gefährlich werden konnten. Aber auch Widerstandskraft oder zumindest eine Stärke, die aus Resignation entstehen kann. »Eine Menge von diesen Menschen werden jeden Tag umgebracht«, sagte er. »Jeden Tag ein klein wenig mehr …«
    Hendricks langte in seine Plastiktüte und kramte nach zwei weiteren Dosen.
    »Diese Scheiße macht einen nur stärker«, sagte Thorne. »Man rückt enger zusammen. Wir passen aufeinander auf.« Er sah zu Hendricks. »Was denn?«
    Hendricks hielt ihm das Bier hin und konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. »Du hast ›wir‹ gesagt …«
    Thorne nahm die Dose. Obwohl er bereits drei getrunken hatte, fühlte er sich ungewöhnlich klar im Kopf. Er fragte sich, ob die Unmengen von Special Brew – ein Bier, das er bei allem, was ihm heilig war, nie mehr anrühren wollte – nicht irgendwie seine Toleranz für das schwächere Zeug erhöht hatten. Er riss den Verschluss auf. »Das Zeug muss stärker sein, als es schmeckt«, meinte er.
    * * *
    Wenn man bei einem Computerspiel Scheiß baute, war das egal. Man konnte einfach von vorn anfangen, problemlos zurück zum Anfang gehen und es noch einmal versuchen.
    Aber er baute keinen Scheiß. Das passierte ihm nur selten, dazu hatte er zu viel Übung. Aber Menschen – die Nieten im echten Leben, die aus Fleisch und Blut – waren nicht ganz so leicht zu erledigen wie die, die er mit größtem Vergnügen auf dem Bildschirm wegpustete. Die echten zogen herum, waren nicht da, wo man sie erwartete. Und um drei Uhr nachts in dunklen Eingängen sahen sie sich verdammt ähnlich …
    Zu diesem Zeitpunkt wollte er längst weg sein. An irgendeinem exquisiten Ort im Süden, wo die Leute gut rochen und nur dann im Freien schliefen, wenn sie es sich am Strand gemütlich machten, weil sie nicht mehr ins Hotel zurückfanden. So hatte er es sich zumindest vorgestellt. Thorne von der Bildfläche verschwinden zu lassen war als letztes Bravourstück gedacht, aber es war anders gelaufen.
    Als er den nächsten Level erreicht hatte, schaltete er die Playstation aus und nahm das Spiel heraus. Er schlenderte in die winzige Küche, um sich Tee zu kochen. Es war wichtig, einen Gang herunterzuschalten. Man musste den Adrenalinspiegel sinken lassen und zur Ruhe kommen, wenn man überhaupt schlafen wollte. Er saß in seiner Unterwäsche da, starrte

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