Tom Thorne 05 - In der Stunde des Todes
dass du dich so ins Zeug geworfen hast«, sagte Thorne.
»Hä?«
Thorne blickte Hendricks mit ernster Miene an. »Die Pennerklamotten …«
»Blödmann.«
»Nein, ehrlich, es ist nett von dir, dass du dir Mühe gibst, nicht aufzufallen. Vielleicht solltest du diese Medizinkiste lassen und selbst undercover arbeiten. Du hast anscheinend ein Händchen dafür.«
»Schön, dass wenigstens einer von uns eins dafür hat«, meinte Hendricks.
Sie hätten gemütlich bei einem Take-away zusammensitzen oder in Thornes Wohnzimmer vor dem Fernseher abhängen und sich über Fußball streiten können. Doch stattdessen lehnten sie an der Mauer eines überdachten Fußwegs an der Great Queen Street, der an der Freemason’s Hall entlanglief. Nach der kleinen Frotzelei schwiegen sie beide und tranken das von Hendricks mitgebrachte Bier.
Hendricks klopfte mit seiner Bierdose gegen das Gebäude, dessen Fassade mit Freimaurersymbolen geschmückt war. »Da drinnen findest du wahrscheinlich jede Menge Bullen, wetten? Die in Ziegenlederschürzen und hochge stellten Hosen rumhüpfen …«
»Wo wir gerade davon reden … Hast du Brigstocke im Fernsehen gesehen?«
»Ist er Freimaurer?«
Thorne zuckte die Achseln. »Würde mich nicht überraschen. Jesmond ist einer, soviel ich weiß.«
»Ich fand, Brigstocke kam ziemlich gut rüber«, sagte Hendricks. »Cool, verstehst du? Er hat die Sache anscheinend voll im Griff, wirkt souverän. Man möchte alles tun, um ihm zu helfen.«
»So was kann er. Er hat eine Menge Kurse besucht.«
»Keine Ahnung, wie die Reaktion war.«
»Wahrscheinlich ziemlich gut«, meinte Thorne.
Holland hatte Thorne keine Stunde nach der Ausstrahlung angerufen. In der Sendung wurde das Originalfoto von Ryan Eales gezeigt und ein digital gealtertes Bild des Soldaten, um den Zuschauern von Crimewatch eine Vorstellung davon zu geben, wie er zwanzig Jahre später aussehen könnte. Es waren sofort Anrufe reingekommen.
»Ob der Mörder die Sendung gesehen hat?«, sagte Hendricks. »Vielleicht haben wir ihm mit dem Phantombild von Eales geholfen, ihn zu finden.«
»Da würde ich mir keine Gedanken machen. Bis jetzt war er auch auf keine Hilfe angewiesen.«
Hendricks brummte zustimmend und trank einen Schluck aus der Dose. »Wegen der Videokassette … Glaubst du, Hadingham hatte sie bei sich, als er umgebracht wurde?«
»Klar«, sagte Thorne. »Das Video war Hadinghams Pfand. Das hätte er nie aus den Augen gelassen. Der Mörder hat es sich geschnappt, nachdem er der armen Seele Tabletten eingeflößt hatte. Und ich glaube, er hat sich auch Bonsers Video unter den Nagel gerissen. Jedenfalls ist es weder unter seinen Sachen noch bei seiner Familie aufgetaucht.«
»Und Jagos Kassette hat er nur deshalb nicht bekommen, weil der sie bei seiner Schwester gelassen hat.«
»Was bedeutet?«
»Was bedeutet, dass Chris Jago vielleicht diesen Teil seines Lebens hinter sich lassen wollte?« Hendricks fuhr fort, obwohl Thorne den Kopf schüttelte. »Vielleicht hat Susan Jago keinen Scheiß erzählt. Vielleicht war es tatsächlich ihr Bruder, der nichts mit der Sache zu tun haben wollte. Der dagegen geredet hat.«
Das mochte zutreffen oder auch nicht. Thorne jedenfalls bezweifelte, ob das einen Unterschied machte.
»Jeder von ihnen hatte eine Kopie von dem Video, Phil, jeder. Die stecken da alle mit drin, unabhängig davon, wer geschossen hat. Die Tatsache, dass sie alle ein Video hatten, war die Versicherung. Deshalb haben sie geschwiegen.«
»Bis Hadingham ausscherte und sie damit umbrachte.«
»Richtig.« Thorne hob die Dose hoch und schwenkte den letzten Rest Bier, als handle es sich dabei um einen edlen Brandy in einem Kristallglas. »Und wir dürfen annehmen, dass sich die letzte Kopie in Ryan Eales’ Besitz befindet …«
Sie blieben unbehelligt, nur ab und zu kam ein Auto oder ein Fußgänger an ihnen vorbei. Die Fußgänger waren schneller unterwegs als üblich, während die Autos gemächlich im Regen in beiden Richtungen an ihnen vorbeizogen. Wie Leichenwagen. Die beiden saßen nahe genug am Kingsway, um das Dröhnen und Zischen des Verkehrs zu hören, der samstags in den frühen Morgenstunden noch immer heftig war. Er rollte nach Süden, nach Aldwych und zur Themse, oder nach Norden, nach Holborn, Bloomsbury und weiter.
»Was machst du wegen Spike und seiner Freundin?«, fragte Hendricks.
Thorne hatte Hendricks erzählt, dass er sich wegen der beiden sorgte. Er hatte sie seit dem Mord an Terry T. nicht mehr
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