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Tom Thorne 05 - In der Stunde des Todes

Titel: Tom Thorne 05 - In der Stunde des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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es zuzugeben, aber wenn er ehrlich war, hatte seine Haltung Thorne gegenüber eher damit zu tun, was Thorne geworden war, mit der Rolle, die dieser spielte, als damit, was mit ihm selbst passiert war.
    Er sah Thorne zu, wie er sich den schmutzigen roten Rucksack über die Schulter warf, bevor er um die Ecke bog. Thorne war immer schwer zu durchschauen gewesen. Nun aber war er rein äußerlich kaum mehr wiederzuerkennen. Natürlich waren es erst zwei Wochen, und daher bildete er sich das alles wahrscheinlich nur ein. Doch war sein Rücken nicht leicht gekrümmt, und schlurfte er nicht deutlich?
    Er konnte das nicht so leichthin abtun, denn auch wenn Tom Thorne in einem Theatereingang schlief, war er noch lange kein Schauspieler.
     
    Peter Hayes saß in seinem Zug zurück nach Carlisle und dachte eigentlich nur an eines: wie sehr er sich danach sehnte, wieder nach Hause zu kommen und seinen Sohn in die Arme zu schließen. Wahrscheinlich hatte es damit zu tun, dass er vor ein paar Stunden seinen eigenen Vater hatte sterben sehen, nachdem sie die Maschine abgestellt hatten, die ihn am Leben hielt.
    Zum x-ten Mal, seit er ihn ausgehändigt bekommen hatte, strich er den handgeschriebenen Brief glatt und las ihn. Die Worte, die er vor einigen Jahren in pubertärem Zorn hingeschmiert hatte, erschienen ihm nun eher unbeholfen und absichtlich verletzend.
    Er sah auf und blickte hinaus zum Fenster.
    Verletzend. Eine andere Wirkung war schwer vorstellbar. Warum zum Teufel hatte der blöde, besoffene Arsch diesen Scheißbrief behalten?
    Du hast dich heimlich davongeschlichen wie eine Schlange, als ob wir Scheiße sind. Damit du in eine Flasche kriechen und uns vergessen kannst. Als ob es uns nie gegeben hätte. Du feiges Arschloch. Du kriechende, nach Bier stinkende Schlange …
    Er las den Abschnitt wieder und wieder. Jeder verblichene Schnörkel, jeder Strich seiner Handschrift war wie ein fauler Zahn, der einlud, in ihm herumzubohren. Wie ein Mundfurunkel, an dem man herumkaute.
    Der Buffetwagen kam den Gang herunter, und er entschied sich, eine Tasse Tee zu nehmen, vielleicht noch ein Sandwich. Mal sehen, was es gab.
    Wie oft würde er sich die Fragen wohl stellen, und wie würde er sie beantworten? Fragen über sein Urteil damals. Die Frage, warum er seinem Vater die Tür zugeschlagen hatte, bis der arme alte Scheißkerl niemanden mehr hatte außer Gott.
    Er steckte den Brief weg, bestellte sich eine Tasse Tee und ein Sandwich mit Hühnchen. Er sah, wie sich die Landschaft veränderte, je weiter sie nach Norden kamen, und zählte die Minuten, bis er seinen Sohn wieder in den Armen halten konnte.

Zweiter Teil
    Blut & Benzin
     

 
     
    1991
     
    Es sind zwei Gruppen, jede davon besteht aus vier Mann.
    Die Unterschiede springen ins Auge, dabei sind gerade die größten nicht die offensichtlichsten.
    Vier Männer hocken auf dem Boden, und vier stehen. Die auf dem Boden sind über eine größere Fläche verteilt, jeder einige Meter vom nächsten entfernt. Körperkontakt ist ausgeschlossen. Alle tragen dunkle, olivfarbene Kleidung, sind jedoch nicht identisch gekleidet: Zwei tragen Stiefel, zwei Sandalen; einer von ihnen trägt einen Hut. Die meiste Zeit sieht man von ihnen nicht mehr als die schwarzen, an die Schädel geklatschten Haare, nur einmal hebt einer von ihnen den Kopf, um von etwas abzubeißen, das wie ein Schokoriegel aussieht. Er kaut mechanisch.
    Durch den Regen und die Dunkelheit wirkt alles leicht verschwommen. Nichts ist deutlich auszumachen.
    Im Gegensatz zur ersten Gruppe sind die Männer, die stehen, gleich angezogen. Ihre Gesichter sind unter den Schutzbrillen und den bunten Tüchern oder Shamags, die ihren Mund bedecken, nicht zu erkennen. Zwei stehen nebeneinander, einer von ihnen blättert einen Stapel Papiere durch, die laut im Wind flattern. Die anderen beiden sind wie Buchstützen links und rechts von den am Boden sitzenden Männern postiert.
    Jeder hält ein Gewehr im Anschlag.
    Der Mann mit den Papieren schwenkt diese und ruft den Männern am Boden etwas zu. Der Regen ist so laut, dass er kaum zu verstehen ist: »… halten … Versteht ihr?«
    Der Mann am Boden, der kaut, sieht zuerst ihn an und anschließend die Männer neben sich. Nun heben alle den Blick. Ihre Gesichter sind nass. Zwei von ihnen essen weiter, doch keiner von ihnen sagt etwas.
    Der Regen fällt schwer und schmutzig. Klatscht spritzend auf Köpfe, Hände und Körper. Der Mann mit den Papieren wird lauter: »Die behalten wir.

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