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Tom Thorne 05 - In der Stunde des Todes

Titel: Tom Thorne 05 - In der Stunde des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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die schweißnasse Haut und riss daran, als würde sie ihm nicht mehr passen.
     
    Bob wusste, wie er auf andere wirkte.
    Ihm war klar, was die anderen von ihm hielten, aber es scherte ihn nicht wirklich. Ganz im Gegenteil, er gab sich so, wie sie es erwarteten. Brummte noch etwas mehr vor sich hin als sonst und legte eine richtiggehende Show hin. »Schalten Sie sich ein, schalten Sie sich zu, hier ist Radio Bob. Ich rufe das Mutterschiff.« Solchen Kram. Er hatte mal einen Gefängnisfilm gesehen. Alle in dem Gefängnis wurden fertig gemacht, nur die Verrückten ließ man in Ruhe, weil die meisten Leute Angst vor ihnen hatten. Also ließ er sein Umfeld in dem Glauben, er kommuniziere mit Außerirdischen oder erhalte Botschaften von Gott.
    Aber niemand konnte auch nur ahnen, was er tatsächlich hörte. Sie konnten unmöglich wissen, dass die Stimmen, die das ständige Rauschen in seinem Kopf übertönten, durchaus etwas mitzuteilen hatten: Nachrichten und Gerüchte und geheime Theorien; in fremden Sprachen und seltsamen Akzenten wurde über politische, historische und religiöse Themen gesprochen. Dunkle, entsetzliche Dinge wurden geäußert, bei denen er vor Schreck kicherte oder weinte oder sich auf der Stelle in die Hose machte.
    Natürlich behielt er diese Informationen für sich. Hätte er sie weitererzählt, hätte jeder gewusst, dass bei ihm eine Schraube locker war.
    Er war gerade am Wegdösen, als der Kerl über ihm auftauchte. Verlor sich in dem einschläfernden Rauschen, und die Stimmen waren nur schwach und von ferne zu hören, die Worte eher ein Rhythmus.
    Falls der Mann etwas sagte, bevor er zuschlug, hörte Bob kein Wort.
    Als es losging und der Schatten wie ein Knüppel über ihm hing, spürte er jedes Detail: die Schnürsenkel und die Metallösen, die ihm die Haut um seine Nase aufrissen; das Fleisch an den Lippen und der Nase, das breitgequetscht wurde; die Wucht, mit der sein Kopf gegen die Wand krachte, sodass die Knochen an beiden Schädelseiten zerbarsten.
    Dann kamen die Nachrichten, auf die er so lange gewartet hatte, endlich durch.
    Irgendetwas hatte sich gelöst oder neu geordnet, und plötzlich überkam ihn eine Schmerzwelle, die er nie zuvor empfangen hatte. Er verstand nicht alles, was seine Frau sagte, aber ihr Ton sagte ihm alles, was er wissen musste. Die darin mitschwingende Sorge war unüberhörbar.
    Er versuchte, alles andere auszuschließen – alle anderen Geräusche – und genauer hinzuhören. Die Stimmen waren noch immer so vertraut. Da war etwas Feuchtes in seinem Ohr, etwas Warmes und Klebriges auf seinem Mikro. Die Stimme seiner Tochter klang tiefer, als er sie in Erinnerung hatte. Was logisch war, sie war ja älter als damals. Als die Verbindung stockend abriss, verstand er nur noch eines von drei Wörtern deutlich, dann nur noch eines von fünf, doch das war mehr als genug. Allerdings war die Verbindung tot, bevor er Gelegenheit hatte zu antworten. Bevor er seine eigene Nachricht senden konnte.
    Dann war da nur noch das Bein seines Angreifers. Es wirbelte durch die Luft, was er nur noch in seiner Vorstellung sah, denn er war längst nicht mehr fähig, tatsächlich etwas zu sehen. Dann der Schlag, der ihm den Atem raubte, nach dem er verzweifelt gerungen hatte.
    Er war bei sich in diesen letzten Sekunden, bevor es dunkel wurde. Und merkte zum ersten Mal, seit er denken konnte, dass niemand zu ihm sprach.

Zehntes Kapitel
    Der fette Cafébesitzer schaffte es, noch trübsinniger auszusehen, als er herüberschlich, um Holland das Wechselgeld zu bringen.
    Holland sah ihm zu, wie er zurück an seine Kasse ging und auf deren Tasten einhieb. »Was haben Sie heute vor?«
    »Hab mir nichts vorgenommen«, sagte Thorne. »Werde durch die Gegend laufen und schauen, wen ich treffe.«
    »Also im Prinzip so, wie wenn Sie arbeiten?«
    »Der unstrukturierte Tagesablauf ist echt ’ne feine Sache. Ohne die Scheißkälte, den Hunger und die Tatsache, dass man nicht wirklich einen Platz zum Schlafen hat, wäre das Obdachlosenleben gar nicht so übel.«
    »Es gibt Leute, die tun alles, um dem Papierkrieg zu entkommen.«
    »Was eindeutig dafür spricht.«
    »Wenn das alles vorbei ist, werden Sie einen Bericht schreiben müssen «, sagte Holland. »Das ist Ihnen doch klar?«
    Thorne langte blitzartig über die Plastiktischdecke und kassierte das Trinkgeld.
    Holland sah ihm zu, wie er es in die Tasche steckte. »Das ist Betrug. Dafür müssten Sie ein paar Stunden betteln.«
    »Ist nur als

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