Tom Thorne 07 - Das Blut der Opfer
gleichermaßen zur Verantwortung zu ziehen.
Den Letzten hier kannte er überhaupt nicht, aber er hatte wie die anderen dazu beigetragen, sein Leben in Grund und Boden zu rammen. Das erste Mal oder das zweite Mal. Und das zweite Mal wäre ohne das erste Mal nicht passiert …
Er hatte ihn nicht gekannt, aber jetzt hatte er ihn zum ersten Mal aus der Nähe gesehen. Er hatte in der Kälte gewartet an der Adresse, die man ihm gegeben hatte, bis er von der Arbeit zurückkam. Er hatte das Handy herausgeholt und ein kurzes Video gemacht, als er aus dem Wagen stieg.
Nicklin zuliebe.
Morgen käme sein Part.
An der großen Insel am Ende der Waterloo Bridge herrschte reger Betrieb; jede Menge Autos und Menschen. Er blieb kurz stehen und sah zu, wie die Leute nach Norden und Süden eilten, sich gegen den Wind stemmten, an den Bushaltestellen links und rechts der Straße Schlange standen und miteinander redeten, als wäre das alles nicht wichtig. Er dachte darüber nach, woher sie wohl kamen, klar, unter der Brücke gab es Kinos und Theater. Dann setzte er sich wieder in Bewegung, lief rascher, denn das war ihm völlig egal.
Er lief hinten an der Waterloo Station vorbei und am St. Thomas’ Hospital. Dort war er mal ein paar Stunden in der Notaufnahme gewesen, an einem Samstag vor vielen Jahren, als ihn so ein Idiot vor einem Club zusammengeschlagen hatte. Er erinnerte sich, wie Angie auf ihn losging, als sie ihn danach sah, ihn anbrüllte, er habe es wohl darauf angelegt, und ihn später auf die frisch genähte Wunde küsste …
Nur noch ein paar Minuten. In einer guten Stunde war es so weit. Er überquerte so spät wie möglich den Fluss, dann zurück und über vier Straßen am Albert Embankment. Er lief nicht, machte sich keinen Kopf wegen des Hupens und Blinkens. Zwang die Autos, langsamer zu fahren.
Er stellte sich dabei Angies Gesicht vor, als sie zu spät erkannte, was passierte. Und wusste, dass ihr letzter Gedanke Robbie gegolten hatte. Dass sie alles getan hätte, um ihn zu retten.
Dachte an seinen Jungen, was wohl Robbies letzte Gedanken gewesen waren.
Und hoffte, dass auch er darin vorgekommen war.
Louise war auf dem Sofa eingeschlafen, während eines Dokumentarfilms, der sie beide nicht wirklich interessierte. Thorne hatte sich die Ohrenstöpsel von Louise’ Laptop in die Ohren gesteckt und sich eingeloggt. Hatte ein paar Runden als scharfe Blondine mit großem Dekolletee gespielt. Das hatte was.
Nach einer Stunde hatte er/sie gleichauf mit PokerMom gelegen, einem zwielichtigen Typen mit Cowboyhut. Er hatte gerade um sechzig Dollar erhöht, als er sah, dass das Display seines Prepaid-Handys erwachte und das Handy auf dem Tisch neben dem Computer zu vibrieren begann. Er hatte den Ton ausgeschaltet, um Louise nicht zu wecken.
Er scrollte herunter und sah sich Brooks’ Nachricht an.
Dann schlich er mit dem Handy an Louise vorbei ins Bad, während am virtuellen Tisch die Karten aufgedeckt wurden und seine Könige und Sechsen gegen einen Siebenerdrilling untergingen.
Waren Sie in der Wohnung?
Die Nachricht kam von einer neuen Nummer. Noch immer benutzte Brooks die SIM-Karten nur jeweils einmal und warf sie dann weg. Er konnte unmöglich wissen, dass seine Nachrichten nicht abgehört wurden, dass niemand sie sah außer Thorne und niemand versuchte, den Sender aufzuspüren.
Thorne schloss den Toilettendeckel. Er setzte sich und tippte seine Antwort.
Ja. Ihre Briefe sind sicher.
Er wartete. Las, dass seine Nachricht gesendet worden war. Und, wichtiger noch, empfangen worden war.
Seine Hände waren klebrig. Der Ehering seines Vaters, den Thorne an der rechten Hand trug, ließ sich nicht mehr leicht drehen, als er dies versuchte. Er stand auf und wusch sich die Hände, während er wartete, ob Marcus Brooks noch etwas zu sagen hatte. Und trocknete sich die Hände ab, als die Antwort kam. ist egal
Thorne dachte über eine Antwort nach, als eine weitere Nachricht kam. hab ein neues video
Wann?
morgen
Thorne wusste nicht, was Brooks meinte. Würde er das Video morgen senden, oder würde er morgen denjenigen umbringen, der darauf zu sehen war?
Tot oder lebendig? Thorne wartete.
morgen
Er lauschte, als das Wasser abfloss. Ein alter Bademantel von ihm hing an der Tür, verschossen und von der Katze arg mitgenommen. Er hatte ihn hierhergebracht, als Louise ihm zum Geburtstag einen neuen geschenkt hatte. Auch sie hatte einiges von ihren Sachen in seiner Wohnung deponiert. In seinem Badezimmer roch es
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