Tom Thorne 07 - Das Blut der Opfer
meinte das Gegenteil.
»Ich versteh nicht, was du noch wissen willst.«
»Was das für Gefühle bei dir auslöst.« Sie stellte ihre Tasse ab. »Mann, ich …«
»Was glaubst du, was das für Gefühle bei mir auslöst?«
»Das frag ich dich ja.«
»Ist das nicht offensichtlich?«
»Nein.«
Thorne hob hilflos die Arme, als wäre das eher ihr Fehler als seiner.
»Was ist mit dem Mann, von dem du glaubst, dass er es getan hat?«
Thorne schüttelte den Kopf, nannte nicht mal den Namen.
»Welche Gefühle hast du, wenn du an ihn denkst?«
Er betrachtete seine nackten Füße auf den Fliesen und sagte, an sie gewandt: »Ich bin splitterfasernackt und nur halb wach. Ich kann nicht klar denken. Das hier ist blöd …«
Sie trat einen Schritt auf ihn zu, die Hände in die Taschen ihres Morgenmantels gesteckt. »Wir sind jetzt fünf Monate zusammen, und manchmal kommt es mir vor, als kenn ich dich keine zehn Minuten. Fünf Monate, und neulich im Bett, das war saudumm von mir. Ich habe darüber nachgedacht, und was immer ich darüber gesagt habe, irgendwo muss ich es gewollt haben. Und wenn es nur für ein paar Sekunden war.« Sie zog die rechte Hand aus der Morgenmanteltasche und raffte den Morgenmantel vor ihrem Bauch. »Irgendwo hab ich das gewollt, und deshalb mach ich mir jetzt mitten in der Nacht eine Tasse Tee. Denn wenn ich ehrlich bin, hab ich das Gefühl, dass du mir nicht mehr erzählst, nicht wirklich mehr erzählst, als Phil oder Dave Holland oder dem Typen, bei dem du morgens deine Scheißzeitung kaufst.« Sie hielt inne und wartete darauf, dass Thorne den Kopf hob, versuchte, in seinem Gesicht zu lesen. »Du hast recht«, sagte sie und ging zur Tür. »Das ist blöd.«
»Können wir morgen darüber reden?«
»Tut mir leid, dass ich dich aufgeweckt hab«, sagte sie, als sie an ihm vorbeiging.
Vierundzwanzigstes Kapitel
»Dieser Scheißjob ist ein Witz.«
»Das merken Sie erst jetzt?«, fragte Thorne.
Kitson ging an Thorne vorbei, der auf den Toast wartete, und versenkte einen Kräuterteebeutel in einer der kleinen Single-Teekannen, mit denen man unweigerlich den ganzen Tisch volltröpfelte, wenn man sich daraus Tee einschenkte. »Gute Nachricht, schlechte Nachricht, die Sorte Witz«, sagte sie. »Eine ganze Scheißserie davon.«
Thorne angelte sich ein kleines Stück abgepackte Butter und ein Marmeladentöpfchen. Wenn Kitson schlecht drauf war, schoss es ihm durch den Kopf, fluchte sie beinahe ebenso viel wie Richard Rawlings. Er selbst hatte meist einen üblen Jargon drauf, aber inzwischen fiel ihm dies mehr und mehr bei anderen auf. Vielleicht auch eine Spätfolge der letzten Monate seines Vaters.
»Daraus schließe ich, Sie haben einen Witz für mich auf Lager …«
Sie trugen ihre Tabletts zu einem Tisch und setzten sich neben eine Gruppe Detectives aus einem anderen Team, die gerade ihre Nachtschicht hinter sich hatten und ihr Frühstück praktisch schweigend verdrückten, erschöpft und zugleich erleichtert, eine Freitagnacht überstanden zu haben. Thorne hatte diese Schicht oft genug hinter sich gebracht, um zu wissen, dass einer oder zwei mit gemischten Gefühlen nach Hause gingen, nun, da sie nach den härtesten acht Stunden der Woche einen möglicherweise anstrengenden und angespannten Tag mit ihrer Familie vor sich hatten.
»Die gute Nachricht: Wir haben den Namen des Mannes, der laut der Freundin des Opfers der Täter ist.« Kitson schenkte sich ihren Tee ein und wischte mit einer Papierserviette die Pfütze auf. »Die schlechte Nachricht: Er ist verschwunden.«
»Kemal?«
»Die Reinigung ist seit einer Woche geschlossen, und die Nachbarn haben ihn seither nicht mehr gesehen. Er ist abgetaucht, wie’s aussieht.«
Mit einem Mund voller Toast bemerkte Thorne: »Das ist natürlich keine gute Nachricht, wenn man ein gebügeltes Hemd braucht, aber andererseits klingt das ja ganz so, als wäre das Ihr Mann.«
»Richtig. Weshalb es eine verdammt schlechte Nachricht ist.«
Einer der beiden Detectives schaute zu ihnen, als würde ihm eine derart unflätige Ausdrucksweise aus dem Mund einer Frau den Appetit auf sein üppiges englisches Frühstück verderben. Kitson erwiderte den Blick und ließ keinen Zweifel, dass das nur ein Anfang war.
»Er wird schon wieder auftauchen«, sagte Thorne.
»Wenn er sich noch im Land befindet. Wahrscheinlich versteckt er sich inzwischen in einem türkischen Fischerdorf.«
»Haben Sie die Hafenpolizei benachrichtigt?«
»Wird schon
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