Tom Thorne 07 - Das Blut der Opfer
weiterkämen. Ehrlich gesagt hatte ich mir da einen Durchbruch erwartet.«
»Das kommt noch.«
»Das hoffe ich, verdammt noch mal. Bin ja froh, dass er sich im Moment etwas zurückhält. Vielleicht haben Sie ihn irgendwie verunsichert.«
Thorne schluckte. »Das weiß Gott allein«, sagte er. »Aber wir sind nicht nur auf diese Nachrichten angewiesen.«
Brigstocke war schon wieder am Kritzeln. Er sog die Luft durch die Zähne. »Nichts von dem, was wir in der Wohnung gefunden haben, bringt uns weiter. Zumindest finden wir ihn damit nicht. Wir haben jede Menge, um ihn wegzusperren, wenn es so weit ist, aber rein gar nichts, das uns zu ihm führen könnte.«
»Wo, glauben Sie, landet er, wenn wir ihn wegsperren?« Thorne trat an das kleine Fenster. Brigstockes Aussicht war nur unbedeutend besser als seine. »Er müsste mit verminderter Schuldfähigkeit durchkommen.«
»Darüber lässt sich streiten. Er hat alles monatelang im Voraus geplant. Es war nicht so, dass er plötzlich durchgedreht wäre.«
»Aber das, was seiner Familie passierte. Und der Zeitpunkt, als es passierte …«
»Er hat einen Bullen umgebracht, das dürfen Sie nicht vergessen.«
»Nein, das vergess ich nicht.«
»Das kommt bei den Geschworenen nie gut an.«
»Skinner war nicht einer unserer strahlenden Helden.«
»Ja, sicher. Diesen Aspekt werden die Bonzen bestimmt runterspielen.«
»Lieber Gott …«
Sie redeten noch ein paar Minuten über andere Fälle. Der Prozess des Mannes, der seiner Frau den Kopf mit einer Smirnoff-Flasche eingeschlagen hatte, war ziemlich weit gediehen. Seine Verteidiger zielten auf Totschlag wegen verminderter Schuldfähigkeit. Die Staatsanwaltschaft argumentierte, verminderte Schuldfähigkeit sei noch nicht gegeben, wenn ein Mann seine Frau dabei erwischte, wie sie seinen besten Freund durchvögelte.
Die Insider setzten offensichtlich - Karim führte Buch und holte in der Regel einen Gewinn heraus - darauf, dass der Typ mit Mord und einer Strafminderung durchkam.
Nachvollziehbar, fand Thorne. Marcus Brooks würde wohl nicht so einfach davonkommen, wenn es so weit war.
Schlampen mochte keiner, und Bullenmörder genauso wenig.
Thorne wollte gerade aufbrechen, als Brigstocke sagte: »Wie gefiel Ihnen die Zeit als DCI?«
»Verstehen Sie mich nicht falsch«, sagte Thorne. »Das Gefühl der Macht ist echt geil, und ich hätte gern ein größeres Büro. Nur diese Verantwortung und dass man dauernd Entscheidungen treffen muss, das finde ich nicht so toll.«
»Seit wann haben Sie denn Schwierigkeiten mit Entscheidungen?«
»Okay, mit guten .«
»Aber mit der Verantwortung haben Sie recht …«
Thorne blieb in der Tür stehen, er spürte, da kam noch was.
»Ich hätte Ihnen sagen sollen, worum es bei der DPS-Sache ging«, fuhr Brigstocke fort.
»Kein Problem. Auch jetzt brauchen Sie es mir nicht zu sagen.«
»Es ist okay, es ist erledigt, mehr oder weniger.« Brigstocke nahm die Brille ab und schob den Papierstapel weg. »Grob gesagt ging es um einen Kollegen, der vor ein paar Monaten im Oak ein Bier zu viel getrunken hat und eine Kollegin mit ›unangebrachten Bemerkungen‹ belästigte.«
Thorne nickte. Es war klar, wer gemeint war.
»Ich saß am Tisch, als diese Bemerkungen fielen. Wahrscheinlich hatte ich, um ehrlich zu sein, selbst ein Glas zu viel getrunken. Tatsache ist, dass ich nicht einschritt, als dieser Kollege seine Bemerkung machte. Das war fahrlässig. Daher bin ich genauso verantwortlich.«
»Aber jetzt wird die Angelegenheit nicht weiter verfolgt?«
»Ja, Gott sei Dank. Aber der Vermerk in meinen Unterlagen bleibt mir erhalten.«
»Und Andy Stone?«
Brigstocke grinste. »Steht noch nicht fest.«
Thorne lehnte sich an den Türpfosten und staunte, was den Leuten alles einfiel, um Zeit und Geld zu verschwenden. Bei solchen Vorfällen stellte sich wirklich die ernsthafte Frage, worauf die Polizei der Hauptstadt ihre Energie und ihre Ressourcen konzentrieren sollte. Und ein System, das gute Leute wie Russell Brigstocke grundlos an den Pranger stellte, war nach Thornes Meinung äußerst fragwürdig.
Damit war vorerst das Wichtigste geklärt. »Los, erzählen Sie schon«, forderte er Brigstocke auf, »was genau hat Stone gesagt?«
Nicht dass Hakan Kemal nichts gesagt hätte, aber er hätte genauso gut nichts sagen können.
Kitson hatte schon viele Verdächtige gesehen, die sich auf Anraten ihres Anwalts dumm stellten. Seit der Änderung der Gesetzeslage waren es allerdings nicht mehr
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