Topchter der Köingin Tess 1
dir bleiben noch ein paar Jahre, ehe das Gift sich so tief in dir ausgebreitet hat, dass du Schwierigkeiten hättest, ein Kind auszutragen. Das ist einer der Gründe dafür, dass Spieler nicht herrschen können. Es gäbe keine Thronerben.«
Ich wandte mich ab und klammerte mich an meine Decke; mir war kälter, als die Nacht erklären konnte. Ich rieb mir den Oberschenkel, wo er mich mit dem Pfeil gestochen hatte. Magie -wahre Magie – oder Kinder. »Gar keine?«, fragte ich.
»Nein.« Mit müdem Blick starrte er in die Glut. »Aber es ist keine so üble Idee, ein Kind von der Straße als dein eigenes anzunehmen. Sie stecken voller Überraschungen – so wie du.« Er umfasste sacht mein Kinn und zwang mich, seinem Blick zu begegnen. »Tess? Ich habe dir diesen Anfang aufgezwungen, aber es ist noch nicht zu spät.«
Ich wandte den Blick ab. Unerwartete Tränen brannten mir in den Augen. Keine eigenen Kinder? Vermutlich nicht einmal einen Ehemann, denn wer auch immer mir nahestand, würde zur Zielscheibe der Meuchler anderer Spieler werden – so, wie ich es gewesen war.
»Den meisten Lehrlingen lässt man gar keine Wahl«, erklärte er, »aber du bist eine Frau, Tess. Deshalb sollte die Entscheidung dir überlassen bleiben. Es gibt nicht viele Spielerinnen, doch das, was du mit aufs Spielfeld bringen kannst – Mitgefühl, Verständnis und die Fähigkeit, Kompromisse zu schließen –, wird dort dringend gebraucht. Ohne die Kraft des Giftes kannst du keine Spielerin sein. Wenn du das nicht willst, werde ich einen anderen Lehrling finden. Aber bitte bedenke eines: An deinen Entscheidungen könnte die Zukunft von Tausenden von Kindern hängen. Du würdest eine großartige Spielerin abgeben.«
Ich sagte nichts, stützte einen Ellbogen auf die Knie und ließ die Stirn auf die steifen Fingerspitzen sinken. Keine Kinder? Nie? Warum bat er mich darum, selbst zu entscheiden? Als ich noch eine Prinzessin gewesen war, hatte ich stets gewusst, was ich tun musste – da war mir gar keine Wahl geblieben.
Kavenlow zog sich den gelb gefütterten Umhang über die Knie. Mein Kummer setzte ihm sichtlich zu. »Schlaf ein wenig«, brummte er. »Wie gesagt, dir bleibt noch Zeit, dich zu entscheiden. Jahre. Ich wecke dich, wenn deine Wache beginnt.«
Er nahm mir den Becher ab und gab mir stattdessen den Knochenpfeil, mit dem er mich gestochen hatte. Ohne ihn anzusehen, steckte ich den leeren Pfeil weg und stand auf. Vorsichtig ging ich um die schlafende Prinzessin herum zu meinem Schlafplatz. Darauf lag eine Uhufeder. Ich hob sie auf und schloss die Hand darum wie um einen Talisman. Dann legte ich mich mit dem Rücken zu Kavenlow hin und starrte in die Nacht hinaus.
Ein Kind von meinem Fleisch und Blut oder das lebenslange Spiel mit gewaltigen Mächten und verborgenen Plänen. Ein Ehemann, mit dem ich alt und grau werden kann, oder ein Königreich. Ich erinnerte mich an meinen freudigen Schreck, als Jecks Pferd mich vorhin angestupst hatte, um einen Apfel zu bekommen, den es nur in meinen Gedanken gab. Die Uhufeder fühlte sich weicher an als Seide, als ich damit über mein Kinn strich. Mir meine Kinder wegnehmen lassen, ehe ich überhaupt daran gedacht hatte, sie zu bekommen?
Doch im Grunde war die Entscheidung gar nicht schwer. Ich kannte meine Antwort bereits. Wenn ich einen Ehemann wollte, würde ich mir einen Mann suchen, der sich gegen Mordversuche zur Wehr setzen konnte. Wenn ich ein Kind wollte, würde ich eines annehmen, das mich brauchte, so wie Kavenlow es getan hatte. Es anders zu machen … Ebenso gut hätte ich behaupten können, dass er mich weniger liebte, weil ich nicht sein leibliches Kind war. Und das wäre eine Lüge gewesen.
»Kavenlow?«, flüsterte ich und war sicher, dass er mich dennoch hören konnte. »Ich will deine Schülerin bleiben.«
24
Ich wurde von einem Rascheln geweckt, als jemand in seinem Bündel herumwühlte, also war die Nacht überstanden, ohne dass Jeck uns gefunden hatte. Die Vögel lärmten, und durch das laute Gezwitscher konnte ich ganz schwach Duncan und Thadd miteinander flüstern hören. Ich öffnete die Augen und betrachtete den seltsamen Anblick von altem Laub und Gras, der sich mir im schwachen Licht der kaum aufgegangenen Sonne bot. Endlich war mir warm, also rührte ich mich nicht in der Hoffnung, dass die anderen mich in Ruhe lassen und mir vielleicht sogar Frühstück machen würden.
Seufzend schloss ich die Augen. Es fühlte sich gut an, hungrig zu sein. Es
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