Topchter der Köingin Tess 1
ich. Ich zog die triefnassen Röcke aus dem Wasser und ließ sie entnervt wieder fallen. Jetzt war ich schmutzig und nass. Ich blickte zum Himmel auf und zu den Wolken, die dräuend wirken sollten. Regen würde dem Ganzen noch die Krone aufsetzen.
»Es war meine Schuld«, erklärte sie und trat ans Ufer. »Ich hätte mich bemerkbar machen müssen, damit du weißt, dass ich komme. Der Kanzler sagt, niemand sollte allein sein.«
Die scharfe Erwiderung, die mir bereits auf der Zunge lag, löste sich auf, als sie zaghaft die Schuld auf sich nahm. Also sagte ich nichts, während sie sich mit winzigen Schritten in ihren kleinen schwarzen Stiefelchen einen Weg zum Wasser hinab suchte. Ihr herzförmiges Gesicht und die durchscheinend helle Haut gaben mir das Gefühl, ein grober Klotz zu sein. Am liebsten hätte ich ihr gesagt, dass ich sonst nicht so gekleidet war, dass ich für gewöhnlich Seide und ein Diadem trug, dass Hände und Gesicht normalerweise sauber waren und dass ich rechnen und lesen konnte – dass ich nicht der Abschaum aus der Gosse war, für den sie mich hielt.
Meine langen Röcke wurden von der Strömung mitgezogen, als ich ans Ufer watete. Ich ignorierte sie, hob meine Stiefel auf und machte mich barfuß auf den Weg zum Lager. Sauberer würde ich heute nicht mehr werden. Warum regnet es nicht?
»Möchtest du – vielleicht meine Seife benutzen?«, fragte sie, und ich erstarrte.
Ich hatte keine Seife. Den letzten Rest hatte ich auf der Strandläufer aufgebraucht. Ich begegnete ihrem Blick. »Ja«, sagte ich misstrauisch und überlegte, warum sie wohl nett zu mir sein mochte. »Ja, sehr gern. Danke.«
Sie faltete ein Stück Stoff auseinander und enthüllte ein dickes Stück brauner Seife, an den Rändern schon rund gerieben. Sie legte die Seife am Ufer ab und trat zurück. Ich behielt sie argwöhnisch im Auge, als ich danach griff. Ich verknotete die gerafften, nassen Röcke und watete wieder ins Wasser, um mir das Gesicht zu waschen. Die Seife legte ich auf einen Stein, damit ich mich ordentlich schrubben konnte, und ich zuckte zusammen, als Lauge in meinem Auge brannte. Die Seife duftete nach Minze, und ich fragte mich, ob die Nonnen sie ihr geschenkt hatten oder ob die kleine Prinzessin von den zarten Fesseln sie selbst gemacht hatte.
Obwohl ich sie nicht mehr ständig beobachten konnte, weil mir sonst Seifenschaum ins Auge geraten wäre, war ich mir ihrer Nähe unangenehm bewusst. Sie zog Stiefel und Strümpfe aus und hüpfte auf einem Pfad aus trockenen Steinen über das Flüsschen. Auf dem größten Felsbrocken ließ sie sich nieder und streckte die Füße ins Wasser. Das Schweigen dehnte sich immer weiter aus.
Wasser tropfte mir vom Kopf und wurde von der Strömung mitgenommen. Mein Gesicht spannte vor Kälte. Ich warf einen verstohlenen Blick auf sie. Ich war unzähligen Wachen und einem gegnerischen Spieler entkommen, hatte die Bucht überquert und mir die Passage selbst verdient, und ich hatte den Fehler gemacht, einen Falschspieler zu küssen und dabei zu erfahren, was ein echter Kuss bei einem Menschen bewirken konnte. Gewiss würde es mir auch gelingen, zumindest so zu tun, als sei ich freundlich zu ihr.
Ich watete näher heran und hielt ihr die Seife hin wie eine Opfergabe. Ihr schmales Kinn wirkte steif, als ich das Seifenstück neben sie legte und zurücktrat. »Danke sehr«, sagte ich und bemühte mich, nicht verdrießlich zu klingen. Sie lächelte mir nervös zu und begann, sich die Füße zu waschen. Sie waren sehr zierlich und wurden schon blau vor Kälte.
Ich trat von einem Fuß auf den anderen, um besseren Halt im Bachbett zu finden. Meine Zehen wurden allmählich taub. »Es tut mir leid, dass ich – äh – dich geschlagen habe«, sagte ich. Wenn ich mir jetzt bei ihr Mühe gab, würde ich vielleicht nicht den Rest meines Lebens damit zubringen müssen, Zierdeckchen zu besticken.
»Das war nicht allein deine Schuld.« Sie blickte nicht auf, und ich war nicht sicher, ob ihre Worte aufrichtig waren. »Ich hätte dich nicht als Bettlerin bezeichnen dürfen, und es …« Sie machte ein so besorgtes Gesicht, dass sie beinahe ängstlich erschien. »Es tut mir leid, dass ich gesagt habe, sie hätten dich nicht geliebt«, platzte sie dann heraus. »Das war gemein, und es ist nicht wahr. Aber ich …« Sie richtete den Blick auf den Wald, und ihre blauen Augen wirkten sehr groß und rund. Vor Überraschung öffnete sich leicht mein Mund, als sie die Knie bis unters Kinn zog und die
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