Topchter der Köingin Tess 1
haben, was er angefasst hatte, und wenn ich sie verkaufte, würde sie ihn nur auf meine Spur führen.
Als ich den Widerschein nahender Lichter aus dem großen Saal bemerkte, hob ich rasch den Kopf. »Schohgruben!«, fluchte ich leise. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Hektisch blickte ich mich nach dem Durchgang zur Küche um. Der Koch war auf dem Weg hierher. Ich konnte nirgendwohin. Mein Blick fiel auf den Wandbehang vor dem Kamin.
Ich stürzte mich hinein und hielt den Wandbehang sorgfältig fest, bis er still hing. Als Kind hatte ich mich beim Versteckspielen Dutzende Male hier verborgen. Ich duckte mich und versuchte, meinen Atem zu beruhigen. Ein Versteckspiel, dachte ich, als der Koch eintrat und laut um Hilfe schrie. Aber diesmal spielte ich um mein Leben.
6
Die Schritte des Kochs waren verstummt. Ich bückte mich und fand das winzige Loch im Gobelin, das ich als Kind hineingebohrt hatte. Das Guckloch lag tiefer, als ich es in Erinnerung hatte, und meine Knie beklagten sich. Der Duft alter Asche zupfte an meiner Nase und drohte, mich kitzelnd zum Niesen zu bringen. Ich hielt den Atem an, steif vor Anspannung.
»Wachen!«, rief der Koch, der immerhin noch geistesgegenwärtig genug war, das Tablett auf dem Tisch abzustellen, ehe er zu Garrett stürzte. Er beugte sich tief über seinen Prinzen und flüsterte: »Er lebt.« Jeck, der daneben an der Wand lag, blieb völlig unbeachtet. Unwillkürlich wich ich von dem Wandbehang zurück, als Olen und drei weitere Wachen mit gezückten Schwertern hereinpolterten.
»Hier«, rief der Koch. »Hebt ihn auf. Helft mir, ihn hochzuheben! Wir können ihn nicht am Boden liegen lassen.«
»Wir waren doch nur einen Augenblick weg!«, sagte Olen, und alle fünf packten an und legten den bewusstlosen Garrett auf den Tisch. Dabei wäre das Tablett voller Essen beinahe heruntergefallen. »Wo ist die Prinzessin?«
Meine Beine zitterten, und ich versuchte zu schlucken, als sich der zum Koch erklärte Soldat einmal um die eigene Achse drehte. Seine Hand fuhr zum Schwert, das er über seiner Schürze trug. »Durch die Küche ist sie nicht gekommen! Das schwöre ich!«
Bitte, dachte ich, bitte sucht nicht hier nach mir.
Olen deutete auf den jüngsten der drei Gardisten. »Du«, befahl er, »alarmierst die Wache. Alle sollen nach ihr suchen.« Der Mann rannte aus dem Zimmer, und mir wurde schwindlig vor Erleichterung. Olen beugte sich über Garrett. »Bringt mir den Wein. Versuchen wir, ihm etwas davon einzuflößen.«
»Keinen Wein«, drang ein dünnes Krächzen vom Boden, und mein Blick schoss zu Jeck. »Er könnte daran ersticken«, sagte er heiser und stemmte sich auf einen Ellbogen hoch.
»Hauptmann!«, rief Olen, und seine Miene entspannte sich ein wenig. Er kam Jeck zu Hilfe. »Was ist passiert?«
Ich hatte ein Flattern im Magen. Und ich war beeindruckt. Jeck hatte mehr Willenskraft, als ich je bei einem anderen Mann gesehen hatte. Sein Blick wurde klarer und erkundete rasch den Raum, während er sich zu einem Stuhl schleppte. Ich umklammerte mit einer Hand den Dolch und mit der anderen meine letzte Nadel, doch er warf nicht einmal einen Blick auf den Wandbehang.
Garrett begann pfeifend zu keuchen. Jeck streckte den Arm aus und neigte den Kopf des Prinzen zur Seite. Keinen Augenblick zu früh, denn Garrett übergab sich, und seine letzte Mahlzeit spritzte über Tisch und Boden. Ich schluckte schwer und musste bei dem Geruch selbst an mich halten.
»Macht das sauber«, sagte Jeck, der sofort die Kontrolle ergriff, obwohl er noch nicht einmal stehen konnte. Der Koch verschwand in der Küche. »Er wird es überleben«, sagte Jeck zu Olen. Mit schweißnasser Stirn griff Jeck nach Garretts Weinglas und leerte es gierig.
»Was ist geschehen?«, fragte Olen erneut und schenkte mit zitternder Hand Wein nach.
Jeck atmete langsam und tief durch, als genieße er es, wieder ruhig atmen zu können. »Sie hat ihn vergiftet.«
Olen erstarrte. »Vergiftet!«
Jeck nickte; unter der Sonnenbräune sah er recht blass aus. »Sie muss das Gift bei sich getragen haben, als ich ihre Gemächer durchsucht habe.« Jeck verstummte, und ich konnte seine Gedanken beinahe lesen. Was hat er sonst noch übersehen?, fragte ich mich für ihn, und meine Augen wurden schmal vor grimmiger Befriedigung.
Der Koch kehrte mit einem Eimer und einer duftenden Kerze zurück. Er wischte auf, während zwei Wachen sich um Garrett kümmerten: Sie lockerten seine Kleidung und wuschen ihm das Erbrochene
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