Topkapi
zum Terrassengeländer vortasten müssen. Das brachte ich lieber hinter mich, wenn sie die Terrasse verlassen hatten und an Gevens Schisch-Kebab nagten.
Nach fünfzehn bis zwanzig Minuten wurde das Abendessen serviert. Ich schob mich langsam bis zur Terrasse vor. Als ich nahe genug heran war und durch die Stäbe des Geländers sehen konnte, wurde mir klar, daß ich unmöglich so dicht an die Fenster des Zimmers, in dem sie sich aufgehalten hatten, herankommen konnte, um etwas zu hören. Sie waren zu hell erleuchtet. Ich nehme an, ein mit allen Wassern gewaschener Agent hätte sich im Schatten an der Wand verborgen; aber das schien mir zu riskant. Wenn Harper & Co. sich entschlossen, draußen zu sitzen wie am Abend zuvor, dann wäre mir der Rückweg abgeschnitten gewesen.
Ich durchquerte den Feigenhain, bis ich an den Rand des Vorgartens kam. Von hier aus konnte man den Bosporus überblicken, kein Baum versperrte die Aussicht. Eine niedere Steinbalustrade begrenzte den Vorgarten zu beiden Seiten mit einem Sockel und einer Statue. Die mir am nächsten stehende Statue war mehr als neun Meter von der Terrasse entfernt, aber ich konnte nicht dichter herankommen und gleichzeitig in Deckung bleiben. Der obere Rand des Sockels war in Brusthöhe. Ich benützte die Balustrade als Trittbrett und kam ohne Schwierigkeiten hinauf. Die Statue, eine überlebensgroße Vestalin, die über und über mit Vogeldreck bedeckt war, schien ganz stabil zu sein, und ich konnte mich an ihrem Faltenwurf festhalten. Vom Sockel aus sah ich über das Terrassengeländer und durch die Fenster des Eckzimmers. Es war nicht viel, aber es war etwas. Sollten sie sich entschließen, auf die Terrasse zu kommen, dann könnte ich eventuell sogar ein paar Worte aufschnappen.
Etwa zwanzig Minuten später kamen sie ins Zimmer zurück. In dem Teil des Zimmers, den ich einsehen konnte, stand ein alter, lederbezogener Bibliothekstisch, halb sichtbar ein verschossenes grünes Sofa und ein Wandspiegel, dann ein niederer runder Tisch und ein paar vergoldete Stühle. Zuerst sah ich nur Miller; er ließ sich in einer Sofaecke nieder. Aber er redete mit Händen und Füßen, war also demnach nicht allein. Dann kam Mrs. Hamul mit einem Kaffeetablett, das sie auf den runden Tisch stellte, und ich sah die andern auftauchen und wieder verschwinden, als sie sich bedienten. Jemand reichte Miller ein Glas Schnaps, das er mit einem Schluck hinunterstürzte, als hätte er es nötig; vielleicht versuchte er damit den Nachgeschmack seines Abendessens hinunterzuspülen. Nach einer Weile hörte er auf zu reden und schien zu lauschen, wobei er den Kopf drehte, als ob er seine Aufmerksamkeit erst einem Sprecher und dann einem andern zuwandte. Dann blitzte etwas Weißes im Spiegel auf, und sein Kopf wandte sich um. Einen Augenblick sah ich Miss Lipp. Sie hatte sich umgezogen und trug jetzt ein grünes Kleid; das Weiße war ein großes Blatt Papier gewesen. Es verschwand beinahe augenblicklich wieder aus meinem Blickfeld. Millers Kopf hob sich, als er jemandem zuhörte, der anscheinend vor ihm stand. Eine Minute später etwa tauchte das Papier wieder auf dem Bibliothekstisch auf, anscheinend war es zur Seite gelegt worden. Ich konnte jetzt erkennen, daß es sich um eine Karte handelte. Aus dieser Entfernung und aus diesem Blickwinkel war es nicht möglich, zu sehen, was die Karte darstellte, aber ich hielt es für eine etwa dreieckige Insel. Ich starrte immer noch auf das Blatt, als Harper ins Bild kam und es vierfach zusammenfaltete.
Danach schien sich nichts mehr zu ereignen, bis plötzlich Harper und Miss Lipp aus einer ganz anderen Tür auf die Terrasse herauskamen und die Marmortreppen hinuntergingen. Ich wußte nicht, was sie vorhatten – wahrscheinlich machten sie noch einen Spaziergang –, aber ich hielt es für besser, hier zu verschwinden. Wenn sie von der Balustrade aus den Blick genießen wollten, käme ich in eine unangenehme Situation.
Ich stieg vom Sockel herunter und schlich mich in den Schatten der Feigenbäume. Und tatsächlich, sie kamen auf die Balustrade zu. Als sie wieder kehrtmachten, war ich nur sieben Meter von ihnen entfernt. Ich hörte Bruchstücke ihrer Unterhaltung.
»… wenn ich es übernehmen würde?« Das war Miss Lipp.
»Leo hat ihn vorgeschlagen«, antwortete er. »Soll Leo es mit ihm abmachen. Nach morgen ist er sowieso nicht mehr so wichtig. Den Rest könnte sogar Arthur erledigen.«
Sie lachte. »Das störrische Schaf? Ich glaube, bei seinem
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