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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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die Nebentore sehen.«
    »Nebentore?« Lucian beugte sich vor. Es war zu dunkel, um Einzelheiten zu erkennen. Sobald er die Karte berührte, fingen die Linien und Schriftzüge zu schimmern an. Mehrere kleinere Tore waren rund um den zerklüfteten Gipfel verteilt. Manche befanden sich in Felsspalten, andere lagen in Höhlen, die sich tief in den Hang gegraben hatten.
    Dass sie nun aufleuchteten, konnte nur eines bedeuten: Sie waren immer noch aktiv.
    Lucian sog den Atem ein. »Tu mir einen Gefallen, Marvin«, bat er. »Reite unseren Freunden nach und rufe sie wieder zusammen. Sie sollen sich nicht um die aufständischen Grafen kümmern – mit diesem Problem befassen wir uns später. Führe die Sieben nach Carcassonne! In der Burgstadt gibt es viele Leute, die sich gegen Velascos Terrorherrschaft auflehnten. Der Jäger Diego ist einer von ihnen. Such ihn auf, aber sei vorsichtig. Niemand darf sehen, wie du mit ihm sprichst. Diego kennt einen geheimen Weg in die Stadt und weiß, wer von den Einwohnern auf unserer Seite steht. Wenn ihr euch als gewöhnliche Bauern oder Kaufleute tarnt … er kann euch führen. Wenn die Festung erst uns gehört …« Er sprach nicht weiter. Mit einer geübten Bewegung rollte er die Karte ein.
    »Ist das ein Auftrag?«, fragte der Späher mit einem hoffnungsvollen Unterton. »Erteilst du mir gerade einen Auftrag?«
    »Beeil dich lieber«, riet Lucian. »Wenn sich die Hexen erst mal so weit zerstreut haben, dass du keine Spuren mehr findest, wird es schwierig.«
    »Es ist ein Auftrag«, grinste Marvin. Zufrieden schlug er sich auf den Schenkel. »Dir ist schon klar, dass ich mir von niemandem etwas befehlen lasse außer von Nevere oder meinem …«
    »Marvin«, warnte Lucian. »Wenn du nicht willst, dass das Reich der Sieben im Chaos versinkt, dann reitest du besser sofort los. Vertraue vor allem Ferran de Barca nicht. Und nimm Ghost mit. Ich habe jetzt keine Verwendung für ihn, aber du kannst alle paar Stunden die Pferde wechseln und kommst schneller vorwärts.«
    Der Späher zog den Hut und verneigte sich spöttisch. Dann raffte er seine Sachen zusammen und verteilte sie auf beide Satteltaschen. Lucian holte unterdessen den Hengst von der Weide und sattelte ihn. Dann schnallte er sich das Gurtzeug um, prüfte Cors Sitz in der Scheide und warf sich den Mantel über. Zuletzt reichte er Marvin die Zügel hinauf. Der Hund spürte, dass der Aufbruch bevorstand. Mit einem aufgeregten Winseln rannte er um die Pferde herum.
    »Bis später«, sagte der Späher und schnippte den Finger gegen die Krempe. »Wir warten in Carcassonne auf dich.«
    Lucian nickte. Er schaute dem Reiter nach, bis dieser über der Flanke des Montmago verschwunden war. Dann drehte er sich um und stieg zügig zum Gipfel hinauf.
    Er fand Vadym an der Stelle, an der sich das Haupttor befunden hatte. Niemand hielt sich mehr auf der Anhöhe auf. Die Menschen hatten ihre Zelte abgebrochen, ihre Fuhrwerke und Lasttiere beladen und die Straße ins Tiefland genommen. Von dort führten Pässe zu den spanischen Grafschaften und zurück zu den Festungen auf der Nordseite der Berge.
    Der Magier saß auf einem vergessenen Regiestuhl und rieb sich die Augen, dann fuhr er sich mit der Hand durch sein dunkles Haar. Die langen Rockschöße seines Umhangs hingen zu Boden.
    »Vadym.«
    Der Russe ließ die Hand sinken. Seine Augen waren blutunterlaufen. Bartstoppeln bedeckten sein Kinn, obwohl er sonst so viel Wert auf sein äußeres Erscheinungsbild legte.
    »Verzockt.« Er stieß dieses Wort wie einen Seufzer hervor. »Alles verzockt. Dabei war ich mal der Favorit der Show.«
    »Was wirst du jetzt tun?«, fragte Lucian. »Hier herumsitzen und jammern bringt dich nicht weiter.«
    Vadym rollte den Kopf herum und starrte ihn an. »Cherumsitzen? Jammern? Ich denke nach, Mann.«
    »Und worüber?«, fragte Lucian. Dann winkte er ab. »Steh auf, Vadym. Steh auf und komm mit. Ich will dir etwas zeigen. Und ich … sagen wir es so: Ich könnte die Hilfe eines fähigen Zauberers brauchen.«
    Vadym zog misstrauisch die Brauen zusammen. »Wohin könnten wir beide wohl gehen wollen?«, knurrte er. »Ausgerechnet wir zwei?«
    Skeptisch musterte der Russe ihn. Wie so viele andere war der Magier aus Sankt Petersburg im dreizehnten Jahrhundert gestrandet, als das Tor zusammenbrach. Vadym, die Menschen am Drehort, das Kamerateam, das ihn und seine Hexe seit Carcassonne begleitet hatte – Beliar hatte keine Rücksicht auf seine Helfer genommen, als er

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