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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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sprang.
    »Ganz in der Nähe gibt es ein Tor, das noch Aktivität zeigt.« Mit der zusammengerollten Karte deutete Lucian auf einen Felsspalt des Montmago. »Gut möglich, dass es sich in dieser Nacht schließt. Aber im Augenblick haben wir eine Chance.«
    Ächzend stand Vadym auf. Er stemmte den Arm in die Hüfte und musterte den zerklüfteten Gipfel. Der linke Ärmel hing lose herab.
    »Ein Tor, hm«, brummte er. Plötzlich zeigte sich ein interessiertes Glitzern in seinen Augen. »Und woher weiß ich, dass ich dir trauen kann?«
    Lucian zuckte die Achseln. »Wir haben beide nichts mehr zu verlieren. Deine Freunde sind fort, meine ebenso. Wir können uns genauso gut zusammentun.« Er wartete nicht auf eine Antwort. Stattdessen ging er auf das Geröllfeld zu und stieg den schmalen, steilen Pfad hinauf, der sich in Schlangenlinien über die Flanke des Montmago wand. An manchen Stellen wurde das Gelände so unwegsam, dass Lucian die Hände zum Klettern benutzten musste. An einer Biegung blieb er schließlich stehen und schöpfte Atem.
    Vadym mühte sich hinter ihm durch eine ausgewaschene Rinne. »Wie weit ist es noch?«, keuchte der Russe.
    »Nicht mehr weit. Dort oben, siehst du? Das Tor liegt in einer Höhle. Zwischen den Felsen.«
    Sie befanden sich nun dicht am Gipfel. Sterne schimmerten zwischen den Felsspalten. Um den Fuß des Berges breitete sich das Nebelmeer aus. Der Russe schnaufte schwer. Mit dem Spitzenärmel wischte er sich über das verschwitzte Gesicht. Den merkwürdigen Zylinder hatte er weiter unten am Hang verloren.
    »Wir täuschten uns in dir«, gab er zu. »Ich muss gestehen, Cezlav konnte dich anfangs nicht leiden. Aber du bist ganz in Ordnung. Aus einem anderen Cholz geschnitzt, als wir dachten.«
    Er streckte die Hand aus. Kopfschüttelnd packte Lucian Vadyms eisige Finger und zog ihn zu sich herauf. »Cholz«, wiederholte er, und ahmte dabei die Aussprache des Russen nach. »Was sagt man dazu.«
    »Du hast die Antwort gewusst«, stellte er nach einer kurzen Pause fest. »Die Antwort auf die letzte Frage. Aber du hast Ravenna den Vortritt gelassen, damit sie ihre Schwester retten kann. Auch die Angehörigen meines Ordens sind Ehrenmänner, Vadym. Wir wissen sehr genau, wenn wir jemandem etwas schuldig sind.«
    Der Russe verzog das Gesicht. »Ich wollte Beliar eins auswischen«, gestand er. »Ich war mir sicher, er wollte Ravenna nicht gewinnen lassen.«
    »Aber du hast dich getäuscht.« Lucian blickte zu dem Berggipfel hinauf. Düster ragte der Montmago über ihnen auf. Der Sternhimmel dahinter war so unendlich wie ein Tor. »Beliar wartete nur darauf, dass sie springt und wir getrennt werden. Er wollte, dass der Zirkel der Sieben im Streit auseinandergeht. Und Cezlavs Tod – auch das nahm er billigend in Kauf. Zerstörung ist seine Natur, Vadym. Vernichtung ist das wahre Gesicht des Teufels.«
    »Das weiß ich«, sagte der Russe. »Jetzt weiß ich es.« Er schaute zum Berggipfel hinauf, der über ihnen thronte. »Wir können das Tor nicht wieder öffnen«, stellte er fest. »Das Tor des Montmago.«
    »Nein«, sagte Lucian. »Das können wir nicht. So etwas vermag nur die Tormeisterin. Aber solange diese Nebentore noch aktiv sind, können wir einen Versuch wagen und hoffen, dass uns das Portal zur rechten Zeit an den rechten Ort bringt.«
    »Um Beliar in den Chintern zu treten.«
    Lucian lachte und schüttelte den Kopf.
    Vadym stieß die Stiefelspitze gegen einen Stein und dachte nach. »Wir tun uns also zusammen. Du und ich. Der Magier aus Sankt Petersburg und Ravennas Ritter. Damit rechnet er bestimmt nicht.«
    »Nein«, sagte Lucian. »Damit rechnet Beliar auf keinen Fall.«
    Unwillkürlich straffte er den Schwertgurt um Brust und Hüfte. Es war ein Handgriff, über den er schon lange nicht mehr nachdachte, eine unwillkürliche Geste, mit der er sicherstellte, dass seine Waffen an Ort und Stelle waren.
    Dann kletterten sie gemeinsam zu der Höhle hinauf.
    Der Eingang war mit triefendem Moos überwachsen. Lucian schob die Stränge zur Seite und legte einen Felsspalt frei. Er und Vadym mussten sich bücken, um einzutreten. Auch im Inneren der Höhle tropfte Wasser von den Wänden. Das Scharren ihrer Stiefel hallte in der Schwärze, die sie umgab, ebenso die unterdrückten Flüche des Russen. In der Höhle war es stockdunkel.
    Lucian ging in die Hocke und betastete den Boden, bis er auf ein Rinnsal stieß. Kaltes Quellwasser. Es strömte in Richtung Ausgang. Geduckt folgte er dem Bachlauf

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