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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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belogen«, murmelte Lucian. Erst verstand sie nicht, was er meinte. »Die Narbe unter meiner linken Schulter … das ist kein Muttermal. Mein Vater hat mir dieses Zeichen in die Haut gebrannt. Es war eine Art von Inbesitznahme. Dadurch hat er mich dem Teufel geweiht.«
    Ravenna schob die Hände unter die Achseln. Plötzlich fühlte sich die Luft im Zimmer kälter an. Die Eindrücke aus Carcassonne, der Kampf unter dem Eiffelturm – das würde sie noch eine Weile beschäftigen.
    »Wahrscheinlich kenne ich dich viel besser, als du denkst«, erwiderte sie. »Ich habe dir schon damals im Hotel kein Wort geglaubt. Es ist ein Teufelsmal, richtig?«
    Lucian blinzelte überrascht. Dann nickte er. »Ich hätte es dir sagen sollen. Gleich zu Beginn unserer Beziehung. Oder besser noch: davor. Bevor wir etwas miteinander anfingen.«
    »Ich bin einfach nur glücklich, dass du wieder da bist.« Plötzlich fiel ihr das Sprechen schwer. »Als ich in das Tor sprang, da dachte ich, es sei vorbei. Aber mir fiel kein anderer Ausweg ein – ich musste Yvonne hierherbringen. Sonst wäre sie gestorben. Aber eines weiß ich jetzt: Ohne dich … ich will nie wieder ohne dich leben. Ganz egal, worüber wir uns streiten oder welche Prüfungen uns das Schicksal stellt: Wir gehören zusammen.«
    Lucian sagte nichts. Stattdessen beugte er sich zu ihr herab, umfasste ihr Kinn und küsste sie. Sie schlang die Arme um seinen Oberkörper und schmiegte sich an ihn. Er ist es wirklich, dachte sie. Er ist hier. Überwältigt schloss sie die Augen und wünschte sich, sie besäße tatsächlich die Gabe, die Zeit für immer anzuhalten.
    Ein leises Quäken erinnerte sie daran, dass sie in einem fremden Zimmer standen.
    »Keine Sorge«, flüsterte Ravenna dem Baby zu. »Mit uns beiden ist alles in Ordnung.« Sie schaute zu dem Bett am Fenster. »Ich schätze, mit uns allen.«
    Gemeinsam hüllten sie den Jungen wieder in seine Kleider und betteten ihn in die Wiege. Er gluckste zufrieden und nuckelte an seiner winzigen Faust.
    »Hast du gesehen?«, flüsterte Ravenna. »Er hat deine Augen. So viel steht fest.«
    Lucian legte ihr den Arm um die Schultern. »Du hast meinen Sohn beschützt. Ich meine, trotz allem … hast du ihn beschützt.«
    Sie nickte. »Ja. Das habe ich.«
    Er zog sie noch enger an sich und küsste sie auf das seidige Haar an der Schläfe.
    »Danke«, sagte er.
     

 
    Hexenzorn
    Ein einsames Taxi stand vor dem Eingang des Krankenhauses. Wassertropfen glitzerten auf dem Dach, doch der Regen hatte aufgehört. Als Ravenna und Lucian an dem Wagen vorbeigingen, klopfte der Fahrer gegen die Scheibe. Er kurbelte das Fenster herunter.
    »Laffena!« Diesmal trug der Inder einen korallenroten Turban. »Kommen Sie! Steigen Sie ein! Ich warte schon über eine Stunde auf Sie.«
    Ravenna und Lucian wechselten einen Blick. Zögernd trat sie zu dem Wagen. »Sie warten auf uns? Woher wussten Sie denn, dass wir hier sind?«
    Der Fahrer zeigte auf die Leuchtschrift auf dem Vordach der Klinik. Der Schriftzug spiegelte sich in der Windschutzscheibe.
    »Ganz Frankreich weiß, wohin Sie Ihre Schwester gebracht haben. Meine Tochter hat es aus dem Internet, und in den Nachrichten berichtet man auch darüber. Kommen Sie! Ich fahre Sie, wohin Sie wollen.«
    Ravenna legte eine Hand aufs Autodach. Der Geruch von Leder und Parfüm drang aus dem Inneren des Wagens.
    »Das ist sehr nett, und ein bequemes Taxi könnten wir jetzt tatsächlich gut brauchen. Aber … ich weiß nicht, wie ich es Ihnen erklären soll. Als ich in diese Show kam, da war ich … also, wir beide waren …«
    »Désargenté.« Der Taxifahrer schmunzelte. »Vollkommen abgebrannt. Pleite. Das ist mir bekannt. Und Sie haben auch keinen einzigen Cent gewonnen. Aber das macht nichts. Ich nehme Sie trotzdem mit. Steigen Sie ein!«
    »Wer schickt Euch?«, forschte Lucian. »Ihr wartet doch nicht aus eigenem Antrieb auf uns.«
    Ein Flackern in den Augen und ein rascher Seitenblick verrieten den Inder. Ravenna beugte sich zum offenen Fenster und schaute ins Wageninnere. Sie stöhnte auf.
    Vanessa Chanterel saß auf dem Beifahrersitz. Die Hexe von Kanal 5. Sie hielt eine violette Handtasche auf den Knien. Ihre Fingernägel waren in einem grellen Pinkton lackiert, und ihre Lippen glänzten. Unentwegt tippte sie auf dem Display eines Smartphones herum. Ihre Anwesenheit erklärte allerdings, warum der Taxifahrer geduldig vor dem Krankenhaus parkte.
    Ravenna zog die Hand zurück. »Bedaure«, sagte sie. »Ich

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