Tori und die verschwundene Stute
nur, dass die Streuschicht, auf der die Stute lag, viel zu dünn war und darüber hinaus völlig durchnässt. An der Wand stand eine Schubkarre mit frischem Stroh.
Tori kippte sie neben Becky aus. Sie bückte sich, um das Stroh auf dem harten Betonboden zu verteilen. Im letzten Moment wich sie erschrocken zurück. Becky hatte sich gedreht und dabei ausgekeilt. Um ein Haar hätte Tori einer ihrer Hufe erwischt.
âWas machst du denn da?â Inzwischen war auch Sina wieder zurück. âBleib weg von ihr, das ist viel zu gefährlich.â
âHast du Dr. Knopfler erreicht?â
Sina schüttelte den Kopf. âIch hab auch drauÃen keinen Empfang. Wir müssen es alleine hinkriegen.â
âAber das ist total unmöglichâ, rief Tori. âWir haben doch beide keine Ahnung â¦â
âWir kriegen das hin, hörst du?â, unterbrach Sina sie scharf.
Tori schluckte. Dann nickte sie.
Sina packte ihren Arm. âDa!â
Jetzt erst merkte Tori, dass der Schweif der Stute hochgebunden war. Das musste Hannes noch gemacht haben, bevor er aus dem Stall geflüchtet war.
Becky drehte ihnen das Hinterteil zu. Und jetzt erkannte auch Tori, was Sina gesehen hatte. Aus ihrer Scheide schob sich ein kleiner Huf. Und noch einer.
âDas Fohlenâ, flüsterte sie. âEs kommt.â Jetzt waren bereits beide Beine erschienen.
âDie Vorderbeine, Gott sei Dankâ, murmelte Sina. âDas Fohlen liegt richtig rum.â
Becky stöhnte. Ein kleiner schwarzer Kopf erschien hinter den Vorderbeinen. Nase und Augen waren noch vom Eisack umgeben, man konnte das Fohlen kaum erkennen. Das war gefährlich, wusste Tori. Durch den Eisack bekam das Fohlen keine Luft.
Atemlos warteten sie darauf, dass der Rest des Körpers nach drauÃen gepresst wurde. Aber jetzt tat sich auf einmal gar nichts mehr.
Beckys Kopf lag schlaff und kraftlos auf dem Steinboden. Ihre schweiÃnassen Flanken hoben und senkten sich leicht, sie atmete nur noch flach.
âWir müssen ihr helfenâ, rief Sina. âSonst erstickt das Fohlen.â
Bevor Tori antworten konnte, war sie auf Knien zu der Stute gerutscht und hatte die beiden zarten PferdefüÃe gepackt. Behutsam zog sie daran.
Nichts tat sich.
âFester!â, befahl Tori. âDas Fohlen muss raus!â
Sina schwitzte inzwischen genauso stark wie Becky. âIch habe Angst, dass ich sie verletzeâ, keuchte sie.
âZieh!â, schrie Tori.
Sina zog. Und Becky, die bei Toris Schrei zusammengezuckt war, begann nun ebenfalls wieder zu pressen. Endlich bewegte sich das Fohlen. Der kleine Rücken erschien, dann das Hinterteil und schlieÃlich glitten die Beine wie von selbst aus dem Mutterleib.
Sina lieà die Hufe los und trat einen Schritt zurück. Becky hob kurz den Kopf, um ihr Neugeborenes zu betrachten, und lieà ihn ermattet wieder zu Boden sinken.
âDie Eihülle muss weg.â Jetzt kroch Tori zu dem Fohlen. Sie riss den glitschigen Eisack auf.
Dann wich sie wieder zurück. Aufgeregt beobachteten die beiden Mädchen das regungslose Fohlen und seine ermattete Mutter. Dauerte es Sekunden oder Minuten oder Stunden? Tori hatte jegliches Gefühl für die Zeit verloren. Aber irgendwann wälzte sich Becky auf den Bauch, richtete den Kopf auf und begann ihr Fohlen sauber zu lecken.
âSie nimmt es anâ, wisperte Tori erleichtert.
Sie hätte vor lauter Erleichterung am liebsten laut gelacht, aber das ging nicht, weil sie plötzlich weinen musste.
Und Sina weinte auch.
âDu meine Güte, was ist denn hier passiert?â, fragte Jonas.
Sie fuhren beide herum. Wo kam der denn jetzt so plötzlich her?
âWas ist mit Becky? Ist sie â¦?â Erst jetzt sah er das Fohlen, das gerade versuchte, sich aufzurichten. Immer wenn es fast auf den Beinen war, purzelte es wieder in die Streu.
Becky stupste ihr Kind mit der Nase an. Daraufhin versuchte es es noch einmal.
âAlles okayâ, schluchzte Sina.
âWarum weint ihr denn dann?â
âWeià ich auch nicht.â Tori wischte sich mit dem Ãrmel die Tränen aus dem Gesicht. âWie hast du uns gefunden?â
âIch bin rumgelaufen und hab wie ein Verrückter nach euch gerufen. Irgendwann hat mich Washington gehört und hierher geführt.â
Washington! Sie hatten nicht einmal mitbekommen, dass er den Keller verlassen hatte.
âWo ist denn der
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