Tori und die verschwundene Stute
ihrâs alle gehört?â, schrie Tori laut in die Menge. âGaffer brauchen die hier nicht. Es passiert auch nichts mehr, die Vorstellung ist vorbei!â
Die Leute glotzten sie ausdruckslos an. Die dicke Mutter verteilte Bonbons.
âSo ein verdammter Mistâ, wiederholte Jonas. âLass uns hier abhauen.â
Tori nickte. Sie mussten endlich Becky finden. Sofort!
âWas, Hannes hat Becky entführt?â, fragte Juliana ungläubig, nachdem Tori und Jonas den Mädchen alles erzählt hatten. âDen kenn ich aus der Volleyball- AG . Das hätte ich ihm nie und nimmer zugetraut.â
âDas ist doch so ein Stillerâ, sagte Hannah. âWas genau hat er über Becky gesagt?â
âDass er glaubt, dass das Fohlen kommtâ, erklärte Tori.
âAls er mich vorhin auf dem Handy angerufen hat, war er total panisch. Er sagte immer wieder, dass es Becky schlecht geht und er nicht weiÃ, was er tun sollâ, sagte Jonas.
âDu lieber Himmelâ, flüsterte Myriam. âUnd jetzt ist er bewusstlos und kann uns nicht mehr verraten, wo sie steckt.â
âEin Pferd kann sich nicht Luft auflösenâ, überlegte Sina. âJonas, du kennst Hannes am besten. Wo könnte er Becky versteckt halten?â
âIch kenn ihn überhaupt nicht.â Jonas schüttelte den Kopf. âHat er doch gerade noch selbst gesagt.â
âIch weiÃ, wo Becky ist!â, rief Tori plötzlich. âAm alten Güterbahnhof.â
Jonas sprang auf. âNatürlich. Müller hat doch erzählt, dass Hannes da oft abhängt. Bestimmt hat er Becky irgendwo auf dem Gelände untergebracht. Kommt, Leute, da muss sie sein!â
âWie willst du denn da hinkommen? Unsere Fahrräder stehen immer noch in der Lilienallee. Und zu Fuà brauchen wir Lichtjahreâ, sagte Tori.
Dann sah sie Sina an. Und Sina sah Tori an. Jede von ihnen wusste genau, was die andere dachte.
Früher, als sie noch beste Freundinnen gewesen waren, waren sie in dem Gelände um den stillgelegten Güterbahnhof immer ausgeritten. Sie hatten niemandem davon erzählt. Sue wäre ausgerastet, wenn sie davon gewusst hätte. Die Brache zwischen den alten Gleisanlagen und Lagerhallen war gefährlich â für Pferde und Reiter gleichermaÃen. Unkrautüberwucherte Stahlstreben, grasüberwachsene Schutthaufen und moosbedeckte Schienen konnten einen leicht zum Stolpern bringen.
Aber gerade weil es so gefährlich war, war es ein Paradies. Sie waren vollkommen allein dort gewesen. Aus altem Industrieschrott hatten sie sich eine Art Roundpen gebaut, in dem sie mit den Pferden Galoppwechsel und Rollbacks geübt hatten. Stundenlang. Und danach hatten sie die Pferde grasen lassen, während sie auf den Stufen vor dem alten Bahnhofsgebäude saÃen und sich all ihre Geheimnisse erzählten.
Tori stand auf.
âKönnt ihr auf Heinrich aufpassen?â, fragte sie die anderen. âIch muss noch mal weg.â
Sina erhob sich ebenfalls. âIch komm mitâ, sagte sie.
Tibor und Janko wussten sofort Bescheid. Als die Mädchen sie nicht auf den Trampelpfad lenkten, der hoch zum Wald führte, sondern die StraÃe hinunterritten, erst am Supermarkt und dann an den Schrebergärten vorbei, erinnerten sie sich. Tibor warf den Kopf zurück und wieherte leise, fast verschwörerisch. Janko antwortete mit einem begeisterten Schnauben. Die beiden Wallache beschleunigten ihre Schritte. Die Mädchen mussten ihnen die Richtung gar nicht vorgeben, sie fanden den Weg zum Gelände des Güterbahnhofs von ganz allein.
Washington, der ihnen auf der Suche nach Becky helfen sollte, kam kaum noch nach. Missmutig trottete er hinter den Westernpferden her. Er hasste Reitausflüge, ganz egal zu welchem Ziel.
âOb der Zaun noch offen ist?â, fragte Sina.
Früher war der hohe Maschendrahtzaun, der unbefugte Besucher fernhalten sollte, an einer Stelle durchbrochen gewesen. Man hatte ein ganzes Zaunelement aus dem Boden ziehen und zur Seite schieben können.
Wie lange war das her? Ãber ein Jahr auf jeden Fall.
âSie haben die Ãffnung bestimmt repariertâ, sagte Tori düster. Trotzdem klopfte ihr Herz schneller, als Sina an der vertrauten Stelle von Jankos Rücken sprang.
âAber vielleicht haben wir Glückâ, entgegnete diese.
Sie hatten Glück. Der Zaun lieà sich immer noch öffnen.
Das
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