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Torso

Torso

Titel: Torso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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nach einer verstrichenen Stunde und keineswegs ein verspätetes Gratis-Memento für ihren toten Kollegen war.
    Udo sah sehr ungewöhnlich aus. Er trug einen dunklen Anzug, worin Sina ihn noch nie gesehen hatte. Die Spitzen seiner dunklen Bartstoppeln schimmerten hellgrau, was ihn zwar älter, doch zugleich attraktiver aussehen ließ.
    »Fällt es dir schwer, nächste Woche wieder anzufangen?«, erkundigte er sich.
    »Sehe ich so aus?«, fragte sie zurück.
    »Na ja, gute Farbe hast du immerhin. Wo wart ihr denn diesmal?«
    »Südtirol. Aber wir sind schon seit dem sechsten wieder hier. Bringst du mich auf den neuesten Stand?«
    Sie betraten ein Café in der Elberfelder Straße. Sie waren die einzigen Gäste.
    »Laufende Geschäfte oder Altfälle?« Die Frage war natürlich überflüssig. »Ich weiß mittlerweile, wer die Trieb-Werk-Liste manipuliert hat«, fuhr Brenner auch gleich von selbst fort.
    »Und?«
    »Rate mal?«
    »Findeisen«, versuchte Sina.
    »Wieso denn der?«
    »Keine Ahnung. Du hast gesagt, ich soll raten.«
    Brenner lehnte sich zurück, warf einen Blick auf das Kuchenkarussell und bestellte eine Himbeerquarktorte.
    »Es war Krawczik. Er wollte verhindern, dass wir seinen Namen auf der Liste finden.«
    Sina starrte Brenner fassungslos an.
    »Krawczik ist …?«
    Brenner legte seinen Finger auf die Lippen.
    »Behalte das bloß für dich. Du kannst dir nicht vorstellen, was der Junge durchmacht.«
    »Aber … wie bist du darauf gekommen?«
    Udo schüttelte den Kopf. »Gar nicht. Er kam zu mir. Kurz vor Weihnachten. Kreidebleich und am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Frieser hat ja wie ein Berserker bei uns gewütet. Krawczik hatte höllische Angst, dass seine Mauschelei mit den Daten durch die Sache mit Zollanger herauskommen würde. Also hat er sich mir offenbart und mich angefleht, die Sache irgendwie auszubügeln.«
    »Und?«
    »Und was? Ich denke, die siebte Mordkommission hat mit einem durchgedrehten Kommissar Leichenschänder genügend Imageprobleme. Wir brauchen jetzt nicht auch noch eine Schwulenhatz. Findest du nicht?«
    »Natürlich. Ganz deiner Meinung.« Dann änderte sich Sinas Tonfall und wurde höhnisch: »Warum hängen wir das nicht einfach auch noch Martin an? Wäre das nicht das Beste? Sozusagen den ganzen Müll in ein Loch?«
    »Komm, Sina. Lass mal. Weißt du, was es heißt, wenn Krawcziks Neigungen bekannt werden? Der kann sich buchstäblich einsargen lassen. Solche Leute kommen bei uns nicht vor. Das weißt du doch so gut wie ich.«
    »Hm, und du hast einen neuen Personalhebel. Echt schlau.«
    »Ich habe gar nichts, Sina. Nur ein gutes Gewissen, einen komplizierten, aber fähigen Kollegen nicht ans Messer geliefert zu haben. Und wenn du jetzt endlich damit aufhörst, mich als einen intriganten Finsterling hinzustellen, dann erzähle ich dir etwas, das dich wirklich interessieren wird. Einverstanden?«
    Sina lächelte unsicher. Sie hatte Udo Brenner nicht verletzen wollen. Sie wusste selbst nicht so recht, warum sie so giftig reagierte. Krawczik frequentierte also das Trieb-Werk. Wenn sie länger darüber nachdachte, so erklärte diese simple Tatsache den ganzen komplexen Charakter dieses schwierigen Menschen. Die Stadt mochte ein Mekka für Schwule sein, der Polizeidienst war für sie eher ein Minenfeld. Letztes Jahr hatte sich in Frankfurt ein Polizist verbrannt, weil er den Hohn und die Verachtung der Kollegen nicht mehr ausgehalten hatte.
    »Ich habe versucht, Zollangers DDR -Akten zu bekommen«, sagte Brenner. »Die Sachen von früher. Gauck-Behörde.«
    Sina wurde sehr hellhörig.
    »Und?«, drängte sie ihn.
    »Es gibt absolut nichts über ihn«, fuhr Brenner fort. »Nada. Niente. Keinen Papierfetzen. Null.«
    »Aha. Und was heißt das?«
    »Reißwolf. Es ist ja bekannt, dass ein beträchtlicher Teil der Stasi-Akten vernichtet werden konnten. Vielleicht haben die hinten angefangen.«
    »Bei Z, wie Zollanger?«
    »Ja. Aber das ist nicht der Punkt. Ich habe mit der Person gesprochen, die unseren Suchantrag bearbeitet hat. Und weißt du, was die mich gefragt hat?«
    Sina schüttelte ungeduldig den Kopf.
    »Warum wir denn gleich zwei Suchaufträge gestellt hätten. Ich habe natürlich sofort reagiert und gesagt, das müsse ein Versehen sein. Wer denn angefragt habe?«
    »Und? Mach’s doch nicht so spannend.«
    »Sedlazek.«
    Sina stutzte. Der Name sagte ihr nichts.
    »Du bist ein wenig draußen«, sagte Brenner. »Sedlazek und Marquardt gehört das Büro, wo Torso drei

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