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Torso

Torso

Titel: Torso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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gefunden wurde.«
    Jetzt erinnerte sie sich. Sie sah den Mann auch wieder vor sich. Hellgrauer Anzug, schwarzes, viel zu enges, den Bauch einzwängendes Polohemd. Haare von links über den kahlen Schädel gekämmt. Typ Geschäftsmann ohne jede Auffälligkeit.
    »Na ja, kann man ja verstehen, dass sich der für Zollanger interessiert.«
    »In der Tat«, feixte Udo Brenner. »Vor allem, wenn man sich die Akte von diesem Burschen anschaut. Ich habe Sedlazek natürlich sofort überprüfen lassen. Da wird einem so richtig warm ums Herz.«
    Sina lauschte, während Brenner ihr einen Abriss von Sedlazeks ruhmreicher Tätigkeit in verschiedenen DDR -Gefängnissen gab.
    »Und das ist nur der dokumentierte Teil«, schloss er. »Weiß der Henker, was der Kerl sonst noch so alles getrieben hat.«
    »Hat denn dieses Schwein niemals jemand angezeigt?«, fragte Sina.
    »Die meisten, die mit ihm zu tun hatten, dürften dazu nicht mehr in der Lage sein. Außerdem soll ja endlich mal Schluss sein, nicht wahr, damit zusammenwächst, was zusammengehört, oder?«
    Sina drehte die Augen zur Decke. Brenners Kuchen kam. Kurz darauf folgte der Kaffee.
    »Du meinst also, Sedlazek und Zollanger sind sich früher schon einmal begegnet?«, bohrte Sina weiter, als die Bedienung wieder weg war. »Womöglich in Müllrose.«
    Udo nickte. »Genau diese Frage stelle ich mir seither.«
    Sina rührte in ihrer Kaffeetasse. »Müllrose war früher ein Stasi-Knast«, sagte sie. »Die haben dort möglicherweise Gefangene radioaktiv verseucht. Ein Typ, der draußen bei den Neugierigen herumstand, nannte das Gebäude nur ›Erichs Sonnenstudio‹.«
    »Das mag ja alles sein«, sagte Udo. »Die Geschichte geht aber leider nicht auf. Denn eines weiß ich mittlerweile auch: Martin Zollanger ist nicht aus der DDR herausgekauft worden. Darüber gäbe es bei uns zweifelsohne Akten. Ist aber nicht der Fall. Martin hat auch nie etwas von einer Haft in der DDR erzählt. Er war Volkspolizist. Sina! Bis zur Wende. Das wäre nie möglich gewesen, wenn er mit dem Regime Probleme gehabt hätte. Außerdem weißt du so gut wie ich, wie er zur DDR stand. Martin war überzeugter Sozialist. Bei einer Figur wie Sedlazek wäre ihm sicher auch das Kotzen gekommen. Aber ein Staatsfeind war Zollanger absolut nicht. Er hat nicht in Müllrose gesessen. Diese Theorie geht nicht auf.«
    »Warum versucht Sedlazek dann, Zollangers Akte zu finden?«
    »Na ja, ich denke, er wollte eben auch wissen, warum Zollanger ihm Leichenteile auf den Schreibtischstuhl gelegt hat.«
    Brenner begann sich seinem Kuchen zu widmen, während Sina sich die neuen Informationen noch einmal durch den Kopf gehen ließ. Nach einer Weile ergebnislosen Nachdenkens fragte sie:
    »Was ist eigentlich mit dem Mädchen? Hat sie endlich eine Aussage gemacht?«
    »Nein. Das Ermittlungsverfahren ist abgeschlossen. Sie hat kein Wort zu ihrer Verteidigung vorgebracht. Der Junge leugnet standhaft, am Tatort gewesen zu sein, und belastet damit das Mädchen schwer. Wie es aussieht, kann nur sie mit der Schleuder geschossen haben. Erwartungsgemäß geht die Sache ins Hauptverfahren.«
    »Wann ist der Prozess?«
    »In drei Wochen. Am fünften Februar. Ich sehe ziemlich schwarz für sie. Der Vater tut mir leid – Sohn Selbstmord und die Tochter in so einem Schlamassel.«
    »Worauf lautet die Anklage?«
    Udo Brenner atmete tief durch, bevor er antwortete.
    »Mord. Frieser soll sogar besondere Heimtücke erwogen haben. Aber davon ist im Moment nicht mehr die Rede.«
    »Und wie steht Frieser zu der Tatsache, dass der Mann, der Zollanger getötet und das Mädchen angeschossen hat, vielleicht ein Killer war?«
    »Das sagst du.«
    »Ja. Die Vermutung drängt sich wohl auf.«
    »Das ist die Frage, Sina. Nicht jeder gute Schütze ist ein Auftragsmörder. Zieten hat den Mann engagiert, um seine Tochter zu finden. Mehr nicht. Wie es zu der Schießerei gekommen ist, weiß er angeblich nicht.«
    »Und das glaubst du?«
    »Sina, du weißt so gut wie ich, dass sich kein Schwein dafür interessiert, was du oder ich glauben. Nicht Zieten hat geschossen, sondern dieser Ozols. Vielleicht hat Zollanger ihn dort unten angegriffen. Es war ja ziemlich dunkel. Die Ballistikberichte sind völlig unschlüssig. Findeisen ist sogar überzeugt, dass noch eine Person anwesend gewesen sein muss.«
    »Der Junge.«
    »Ja. Aber Frieser glaubt das nicht. Er will die Anklage allein auf das Mädchen konzentrieren und beweisen, dass sie den Schützen kaltblütig von

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