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Torso

Torso

Titel: Torso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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zwei Fotos von ihren Handflächen.
    »Und jetzt?«
    »Der Ast. Ich brauche die Leiter. Hilfst du mir?«
    Sie trugen die Leiter zu der Eiche und stellten sie zwischen den Baum und den Holzstapel.
    »Gibst du mir die Kamera?«
    Cemal reichte sie ihr. Elin stieg rasch hinauf und kam auf den letzten beiden Sprossen zum Stehen. Von hier aus konnte sie die Oberseite des Astes gut sehen. Sie begann sogleich zu fotografieren. Hatte die Polizei diesen Ast untersucht? Der mutmaßliche Tathergang aus dem Protokoll besagte, dass Eric den Holzstapel aufgeschichtet hatte, um das Seil festbinden zu können. Danach habe er den Stapel benutzt, um sich zu erhängen.
    Und diese Kerbe?
    Elin schaltete das Zoom ein und schoss mehrere Bilder von der Stelle.
    »Cemal. Hast du mal eine Münze?«
    »Was, Bargeld? Und was ist mit Shell und den Schlachthäusern …«
    »Hör auf mit dem Scheiß. Ich brauche eine Münze.«
    Er griff in seine Hosentasche, bekam ein Fünfzig-Cent-Stück zu fassen und warf es ihr zu. Sie hielt die Münze nah an die Abschürfung, um den Größenvergleich zu erfassen, und fotografierte erneut. Dann suchte sie den restlichen Ast nach Spuren ab. Aber da war nichts. Nur ein wenig Moos.
    »Holst du mir bitte das Klettergeschirr«, rief sie Cemal zu.
    Er ließ die Leiter los, die er bisher festgehalten hatte, ging zu den beiden Taschen und holte das Verlangte. Elin blieb gleich oben, fing das Geschirr auf, das Cemal ihr zuwarf, legte es an und fädelte dann das freie Seilende durch die Karabinerhaken. Sie rückte die am Ast befestigte Schlinge eine Handbreit neben die abgewetzte Stelle, stieg auf den Holzstapel, stellte die Seillänge an ihren Karabinern so ein, dass sie etwa einen Meter weit fallen würde, und sprang in den leeren Raum zwischen den Birkenstämmen hinein. Ein Ruck erschütterte den Ast, und der Baum erzitterte ganz leicht. Elin baumelte hin und her.
    Cemal half ihr wieder aus dem Holzstoß heraus. Sie ließ das Geschirr an, kletterte die Leiter hinauf, löste den Knoten und untersuchte die Stelle, wo die Seilschlinge auf dem Ast aufgelegen hatte. Ihr »Sturz« hatte kaum mehr als eine kleine Einbuchtung auf der bemoosten Rinde hinterlassen. Elins Herz begann plötzlich wie wild zu schlagen. So eine banale Beobachtung. Solch eine lächerlich einfache Tatsache! Sie starrte auf die alte Abschabung, die zehn Wochen zuvor entstanden war, und auf den frischen Abdruck daneben. Die alte Spur sah völlig anders aus. Sie war merklich breiter und erheblich tiefer als das, was ihr Experiment hinterlassen hatte.
    »Was machen wir jetzt?«, fragte Cemal.
    Elin deutete auf das Seil, das wieder heruntergefallen war. Cemal hob es auf und reichte es ihr. Sie warf ein Ende über den Ast und stieg von der Leiter.
    »Ich will, dass du mich hochziehst«, sagte sie und fädelte das Seil wieder durch die Ösen des Klettergeschirrs. »Aber pass bitte auf, dass es dort oben nicht verrutscht.«
    Cemal straffte das Seil und zog dann probehalber ein wenig an, um zu schauen, ob der Winkel das Seil in Position hielt. Dann zog er noch fester. Elin begann, ein Stück über dem Boden zu schweben.
    »So recht?«, fragte er und lächelte.
    Sie schaute ihn irritiert an. »Warum grinst du?«
    »Na ja. Dass du dünn bist, wusste ich ja. Aber so ein Fliegengewicht. Echt irre. Wie hoch hättest du es gern?«
    »Du hast recht. Lass uns tauschen.«
    »Tauschen?«
    »Ich bin zu leicht. Ich will sehen, wie es aussieht, wenn man einen Mann von Erics Größe hochgezogen hätte.«
    Cemal schien jetzt erst zu begreifen, was Elin überhaupt tat. Er griff nach der Canon, schaltete die Wiedergabe ein und betrachtete die Aufnahmen, die Elin gemacht hatte.
    Dann legte er stumm das Korsett an, fixierte die Karabiner und stellte sich in Position. »Schaffst du das auch?«, fragte er ernst, als Elin das Seil straff zog.
    Sie wunderte sich selbst, wie einfach es ging. Cemal war nicht so groß wie Eric. Aber er war korpulenter. Wie viel hatte ihr Bruder gewogen? Vermutlich nicht viel mehr oder weniger als Cemal. Sie zog ihn zweimal auf eine Höhe von etwa einem Meter. Dann ließ sie ihn wieder herab. Anschließend stieg sie die Leiter hinauf und begutachtete den Ast. Was sie sah, schnürte ihr die Kehle zusammen. Die drei Spuren lagen deutlich sichtbar nebeneinander. Die alte Abschürfung, die Druckstelle von ihrem ersten Sprung und die neue Abschürfung. Sie fotografierte die Stellen sowohl einzeln als auch im Gesamtbild. Sie dachte an Zollanger. Er würde

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