Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

August 1996 endlich einen herrlichen Sieg errang, hatte Roy wegen seiner Krankheit große Schmerzen. Trotzdem musste er den Hörer niederlegen, weil die Aufregung zu groß war für sein Herz.
    Ein paar Tage später rief Roy zurück, um zu melden, dass sein Telefon seit Tagen ununterbrochen klingele, weil so viele Leute aus Siena ihm die Neuigkeit erzählen wollten. Seine Stimme zitterte, als er dies sagte. Er war sich nicht bewusst gewesen, dass so viele Menschen ihn gern hatten.
    Jeden Monat sandte Pier Guido ihm am Tag des Sieges eine Ansichtskarte mit den Kostümen, die die Komparsen der Raupe zu festlichen Anlässen tragen. Während er mir das erzählte, öffnete Pier Guido eine Schublade und zeigte mir ein Bündel Ansichtskarten, die er für diesen Zweck gekauft hatte, aber nicht mehr verschicken konnte, weil Roy 1997 im Alter von neunzig Jahren starb. Viele Leute, die ihn in seinen letzten Tagen besucht hatten, waren aufs Neue erstaunt, wie beliebt er beim Krankenhauspersonal geworden war.
    Pier Guido hortet diese Ansichtskarten jetzt wie eine Reliquie. »Zum Andenken an Roy«, fügte er liebevoll hinzu, »verfolge ich seit jenem Tag den Palio immer im Fernsehen.«
    Als die Nachricht von seinem Tod in Siena bekannt wurde, erschienen unzählige Zeitungsartikel zu seinen Ehren, und in der ganzen Stadt wurden Todesanzeigen angeschlagen. In der contrada der Raupe verfasste jemand sogar ein Gedicht zu seinen Ehren.
    Vielleicht wird die Geschichte von Roy in Siena eines Tages wie eine Volkssage von Generation zu Generation mündlich weitergegeben, bis künftige Sienesen von dem alten Amerikaner erzählen werden, der krank in seinem Bett in New York liegend die Nachricht des Sieges seiner contrada vernimmt und darauf mit einem Lächeln auf den Lippen stirbt. Das entspricht natürlich nicht den Tatsachen. Es ist eine Vereinfachung von Roys Geschichte, aber sie trifft die Wahrheit vielleicht genauer. Unmittelbar glaubt man, dass Roy diese Version gefallen hätte. Die Hauptsache für ihn wäre, ein Teil der Geschichte von Siena zu werden, sei es als historische Figur, als Legende – oder als Märchen.

Sportgeschehen
     
    Zu den Rivalitäten zurückkehrend, möchte ich eine Begebenheit erzählen, in die zwei meiner ahnungslosen Kunden verstrickt wurden. Ich hatte den besagten Tag mit zwei freundlichen amerikanischen Ehepaaren verbracht. Beim Mittagessen waren wir irgendwie auf Basketball zu sprechen gekommen. Die beiden jungen Männer waren recht interessiert an diesem Thema, und so verbrachten wir den Rest des Essens damit, Erinnerungen an denkwürdige Spiele aufzufrischen, die Namen der wichtigsten Spieler aufzuzählen und so weiter, sehr zum Verdruss der beiden Frauen. Der Zufall wollte es, dass ausgerechnet an jenem Abend die Mannschaft von Siena ein wichtiges Playoff-Spiel gegen Bologna hatte. Ich schlug meinen Kunden vor, mit mir zu kommen, damit sie selbst sehen könnten, wie man hier bei uns spielt.
    Die Frauen lehnten höflich ab und sagten lachend: »Wir haben die lange Reise nach Siena nicht unternommen, um uns hier ein Basketball-Spiel anzuschauen!« Sie hofften natürlich auf beipflichtende Unterstützung von ihren Männern, allerdings vergebens. Die Augen der Männer leuchteten, die Freude am Sport war stärker, und nach einem kleinen Wortgefecht gaben die Frauen nach und überließen die Männer meiner Obhut. Ich gestehe, dass ich kein ganz reines Gewissen hatte.
    In Italien ist Fußball fast überall der beliebteste Sport. Er zieht die größten Menschenmengen und die zahlungskräftigsten Sponsoren an und bringt die einträglichsten Verträge mit sich. Siena jedoch ist eine kleine Stadt, und es fehlen die Mittel, um eine national wettbewerbsfähige Fußballmannschaft aufzustellen. Deshalb haben sich unsere öffentlichen Einrichtungen und unsere Sponsoren dem Basketball verschrieben und eine Mannschaft zusammengestellt, die ihren Platz in der italienischen Profiliga verteidigen kann und auch schon verteidigt hat.
    Die italienischen Meisterschaften gehören zu den besten der Welt; für viele junge amerikanische Spieler sind sie das Sprungbrett für die National Basketball Assassiation – kurz NBA – und für ehemalige NBA-Spieler ein ehrenhafter Weg, ihre Karriere abzuschließen. Außerdem sind die italienischen Fans vielleicht noch begeisterter als die amerikanischen. In Siena ist Mens Sana Basket fast eine Religion, und die Anhänger der Mannschaft gehören allen Altersstufen an. Mannschafts-Sponsor