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Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Titel: Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dario Castagno
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sei es Zeit, nach meinen Kunden zu fragen. Ich überquerte den Parkplatz, wo eine Gruppe Chauffeure in Livree umherstolzierten. Plötzlich kam ich mir etwas fehl am Platz vor, in meiner alten »Uniform«, bestehend aus einer Jeans und einer Jacke.
    Die Hotelempfangstheke befindet sich in der ehemaligen Kapelle, die praktisch so geblieben ist wie vor Jahrhunderten. Der imposante Marmoraltar dient nun als Tischplatte, auf der Prospekte und Visitenkärtchen ausliegen; und der für die Gläubigen gedachte Raum ist heute die Hotelhalle. Ich schaute auf die Uhr. Es war acht Uhr fünfundzwanzig – fast wie vereinbart.
    Ich bat den Portier, die Jacobs und die Winebergs über meine Ankunft zu informieren und ihnen zu sagen, dass ich beim Hoteleingang in meinem Wagen auf sie warte. Dann lief ich zu meinem Auto und fuhr damit vor die Eingangstür, damit meine Kunden einsteigen konnten, ohne nass zu werden.
    Dann wartete ich.
    Um acht Uhr fünfundvierzig waren sie noch nicht heruntergekommen.
    Neun Uhr … niemand.
    Um neun Uhr fünfzehn dachte ich: Langsam wird die Sache lächerlich!
    Um neun Uhr dreißig ging ich erneut ins Hotel und fragte den Portier, ob er von meinen Kunden irgendeine Nachricht bekommen habe. »Ich habe eben mit ihnen gesprochen. Sie sind in ein paar Minuten unten!« Für mich bedeutete das, dass sie jeden Augenblick aus einem der Lifte aussteigen würden. Also blieb ich in der Halle.
    Als ich um zehn Uhr noch immer allein da stand und wartete, wurde ich ungeduldig. Nervös schritt ich auf und ab, die Arme auf dem Rücken verschränkt, und überlegte mir, ob es nicht das Beste wäre, einfach nach Hause zu fahren. Gerade als ich mich selbst von diesem Plan überzeugt hatte, hörte ich jemand auf der Treppe rufen: »Dario, mein Freund, hallo – wie geht es Ihnen?« Es war natürlich Mr. Jacob. Er kam mit ausgestreckter Hand auf mich zu. »Die Levis lassen Sie grüßen. Wir freuen uns so auf diesen Ausflug! Entschuldigen Sie bitte die Verspätung, aber Sie wissen ja, wie Frauen sind! Sie brauchen eine Ewigkeit, um sich fertig zu machen.« Die ganze Zeit schüttelte er meine Hand. Ich nutzte die Gelegenheit, ihn richtig anzuschauen. Er war genau wie ein Berufsgolfer gekleidet. Es hätte mich nicht gewundert, wenn er einen Caddie hinter sich gehabt hätte. Er war etwa fünfundfünfzig, hatte eine beginnende Glatze und schien wirklich nett zu sein.
    »Haben Sie etwas dagegen, wenn wir rasch frühstücken?«, fragte er und ließ meine Hand endlich los. »Wenn Sie wissen, was gut für Sie ist, haben Sie keine Einwände. Wenn unsere Frauen morgens nichts zu essen bekommen, sind sie unausstehlich. Wir würden nicht mehr als zehn Minuten benötigen.«
    Ich war so verblüfft über diese letzte Bitte, dass ich vorübergehend die Sprache verlor. Nur mit Mühe konnte ich zustimmend nicken. Er erfasste meine Hand erneut, schüttelte sie energisch und sagte: »Wir sind alle so begeistert, die Wunder des Chianti zu sehen! Seit Wochen haben wir über nichts anderes gesprochen.« Dann eilte er in Richtung Speisesaal davon.
    Eine Stunde später, ohne das Zeichen irgendeiner Aktivität aus dem Speisesaal, war ich am Ende meiner Geduld. Ich ging zum Portier, bat um ein Blatt Papier und schrieb:
    Sehr geehrter Mr. Jacob,
es ist jetzt zehn Uhr dreißig, zwei Stunden nach dem
vereinbarten Zeitpunkt für unser Treffen. Da Sie um
elf Uhr im Hotel zurück sein wollen, kann ich nur
darauf schließen, dass Sie an meinen Diensten kein
Interesse mehr haben. Ich wünsche Ihnen einen schönen
Tag und viel Vergnügen während Ihrer restlichen
Zeit in Italien.
     
    Freundliche Grüße
Dario (Ihr Freund)
    Ich gab dem Portier die Mitteilung, dann wandte ich mich zur Tür. Der Portier überflog die Meldung und eilte hinter mir her. Er bestand darauf, dass ich nicht einfach so weggehen und meine Kunden warten lassen könne. Ich sagte ihm, dass zwei Stunden lang ich die einzige Person gewesen sei, die gewartet habe, und dass ich nicht länger gewillt sei, diese offensichtliche Respektlosigkeit hinzunehmen. Ich sei kein Chauffeur, sondern ein freier Erwerbstätiger mit konkreten Verpflichtungen und führe jetzt nach Hause.
    Kaum hatte ich Florenz hinter mir gelassen, passte der Regen sich meiner schlechten Laune an und wurde stärker. Um die Mittagszeit erreichte ich das Chianti-Gebiet. Bei einer Trattoria hielt ich an. Ein Riesensteak und eine Flasche Rotwein versetzten mich wieder in eine bessere Stimmung.
    Als ich später am Nachmittag zu Hause

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