Toskanische Verführung (German Edition)
»Signor della Gherardesca«, erwiderte sie zurückhaltend. Er musste ja nicht mitbekommen, wie sehr sein Anblick sie aus der Fassung brachte.
Der Graf hielt ihr die Hand entgegen. »Kommen Sie, Gardner. Flavio fängt sonst aus lauter Langeweile an, den Wagen zu waschen.«
Sie atmete aus und nickte. Della Gherardesca wartete, bis sie bei ihm war, dann nahm er ihr die Stola aus der Hand und legte sie um ihre Schultern. Dabei beugte er sich über sie und streifte flüchtig, wie aus Versehen, ihren Nacken mit den Lippen.
Flannery wich der Liebkosung mit einem hastigen Schritt nach vorne aus. »Gehen wir«, sagte sie. »Schnell, ehe ich es mir doch noch anders überlege.«
Er lachte und legte die Hand zwischen ihre Schulterblätter, als er die Tür öffnete. Er schritt neben ihr die Treppe hinunter, und Flannery spürte den Stoff seines Ärmels an ihrem bloßen Arm. Sie sah kurz zu ihm hin, betrachtete das scharfgeschnittene Profil und die dunkelbewimperten Augen, roch den Duft seines Rasierwassers und seufzte.
Flavio stand in makelloser Livree neben der dunklen Limousine. Er riss den Schlag auf, verneigte sich aus der Hüfte und strahlte Flannery dabei an wie ein kleiner Junge. Sie zwinkerte ihm zu und ließ sich in den Fond helfen.
Der Conte stieg von der anderen Seite ein und zupfte seine messerscharfen Bügelfalten zurecht, während Flannery ihr Kleid ordnete. »Verraten Sie mir, wohin wir fahren?«, fragte sie beiläufig.
»Castiglioncello. Palazzo Falciai«, erklärte er lakonisch. Flannery wartete darauf, dass er diese kargen Brocken noch durch ein paar Sätze zum Leben erweckte, aber der Graf schien wieder in seinen vorherigen Zustand düsteren Brütens zu versinken. Also lehnte sie sich zurück und sah aus dem Fenster. Castiglioncello war, so viel sie wusste, früher ein mondänes Seebad gewesen und jetzt immer noch ein hübscher Badeort, den sie von einem Tagesausflug vor zwei Jahren in flüchtiger Erinnerung hatte. Zum Schwimmen würde sie heute Abend aber wohl kaum Gelegenheit finden.
»Gibt es einen besonderen Anlass für die Gesellschaft?«, fragte sie ohne große Hoffnung auf eine Antwort.
Er drehte den Kopf zur Seite, sah sie an. Sie konnte den Ausdruck seiner Augen nicht deuten. Er betrachtete sie wie ein Rätsel, das ihm Kopfzerbrechen machte. Seine Brauen waren zusammengezogen, die Lippen schmal. »Was denken Sie über mich, Gardner?«, fragte er.
Sie holte Luft und betrachtete ihre Hände. »Sie spielen mit mir«, erwiderte sie. »Ich verstehe nicht, warum Sie das tun und was Sie damit bezwecken. Und ich fühle mich unwohl dabei. Was soll ich über Sie denken? Sie sind der unberechenbarste, unhöflichste Mann, mit dem ich je zu tun hatte.« Sie hob den Kopf und sah ihn zornig an. »Ich muss mir die Behandlung gefallen lassen, weil ich meinen Freund und Arbeitgeber nicht im Stich lassen will. Aber glauben Sie mir, es fällt mir schwer, Ihnen keine Antwort auf Ihre Unverschämtheiten zu geben, die Ihnen die Ohren klingeln ließe!«
Sie erwartete, dass er wütend werden würde, aber er hob nur leicht die Augenbrauen, nickte unmerklich und lächelte. »Sie gefallen mir immer besser, Gardner«, erwiderte er. »Danke, dass Sie meine Einladung angenommen haben. Ich möchte Ihnen ein Kompliment machen, wenn Sie gestatten.«
Flannery beäugte ihn misstrauisch. »Sie fragen doch sonst nicht um Erlaubnis«, erwiderte sie.
Er beugte sich zu ihr und nahm ihre Hand, die sie ihm nach einem kurzen Augenblick des Widerstrebens überließ. Er hob sie an die Lippen und küsste ihre Fingerspitzen. »Sie sehen hinreißend aus«, sagte er. »Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich überrascht bin - das bin ich ganz und gar nicht. Aber ich sehe meine Erwartungen auf höchst angenehme Art bestätigt.«
»Hm«, machte Flannery. »Danke ...?« Sie zog ihre Hand aus seinem Griff. »Sie sehen aber auch scharf aus«, versuchte sie die Situation ein wenig ins Lächerliche zu ziehen.
Della Gherardesca lachte erstickt auf. »Danke«, erwiderte er und schüttelte den Kopf. »Gardner, Sie sind etwas Besonderes.«
Den Rest der ungefähr zwanzigminütigen Fahrt schwiegen sie, aber es war kein unangenehmes Schweigen.
***
Der Wagen fuhr in einer schwungvollen Kurve in die gekieste Einfahrt einer eleganten Villa ein und hielt vor dem hell erleuchteten Eingang.
Flavio riss den Schlag auf, wobei er die Schirmmütze unter den Arm geklemmt hielt, und Flannery wartete, bis der Graf um den Wagen herum kam und ihr die
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