Toskanische Verführung (German Edition)
sich gelassen, sein halbseitig von Narben zerstörtes Gesicht mit dem blinden rechten Auge war zu einer Grimasse von Hass und Wahnsinn erstarrt.
Flannery sah Hugo noch einen Moment lang unverwandt an. Sie schauderte, schloss die Augen. »Du bist es nicht«, hörte Alessandro sie flüstern. »Dann ist alles gut.«
Ein Auto fuhr vor, Türen klappten, jemand klingelte. Flavio sah Alessandro fragend an und ging auf sein Nicken hin öffnen.
»Ruggiero ist da«, sagte Alessandro zu Flannery. »Er wird dich ...« Er verstummte. Flannerys Kopf war zur Seite gesunken, sie war ohnmächtig geworden.
Die Tür sprang auf und die mächtige Gestalt des Arztes drückte Dawkins beiseite. »Erklärt es mir später«, sagte er, nachdem sein wacher Blick das Zimmer und die darin Versammelten überflogen hatte. »Sandro, mach Platz.«
Alessandro ließ widerwillig und erleichtert zugleich Flannerys Hand los und wich zum Fenster zurück, um tief und hungrig die klare, kühle Luft einzuatmen. Er hörte das unaufhörliche Flüstern und Murmeln Hugos, der einen stetigen Strom von Flüchen und Beschimpfungen ausstieß. Seine Knie waren weich wie Gummi und er zitterte am ganzen Leib, als der ausgestandene Schreck, die Angst, das Entsetzen über Flannerys Verletzungen wie ein schwerer Eisenblock auf ihn niederfielen. Er hielt sich am Fensterrahmen fest und bemerkte kaum, dass er sich an einem Glassplitter, der dort steckte, die Hand aufschnitt.
»Signor Dawkins, helfen Sie ihm«, hörte er den Arzt kommandieren. Dann spürte er Hände unter seinen Achseln, die ihn aufrecht hielten, zu einem Sessel bugsierten, hineindrückten. Alessandro legte den Kopf an die Rückenlehne und schloss die Augen. Es war vorbei - so oder so. Vorbei.
Ruggiero kümmerte sich um ihn, nachdem er Flannery versorgt hatte. Er hatte ihr ein Schmerzmittel gegeben und dann beinahe eine Stunde gebraucht, um die Wunden zu säubern und zu nähen, wo es nötig war, den Rest hatte er verpflastert und verbunden.
»Das Bein muss geröntgt werden«, sagte er, während er sich die Hände wusch. »Aber ich denke, es ist nicht gebrochen.« Sein weißes Hemd war fleckig geworden, Blutspritzer verunzierten die aufgekrempelten Ärmel. »Entschuldige, Sandro. Du bist dran.« Er runzelte die Stirn. »Gehen wir in dein Zimmer, dann kann Signora Gardner schlafen.«
Alessandro stand mit wackeligen Beinen auf und humpelte zu Flannerys Bett. Sie wandte den Kopf und sah ihn an. Ihr Blick war immer noch verschleiert, aber das Schmerzmittel wirkte. Sie lächelte und verzog das Gesicht. »Tut nicht mehr weh«, flüsterte sie.
Er nahm vorsichtig ihre Hand und hielt sie fest. »Soll ich Maddalena bitten, dass sie bei dir bleibt?«, fragte er.
Flannery verneinte. »Ich kann schlafen«, murmelte sie. »Werde keine Angst haben. Er ist noch hier? Ist er gut eingesperrt?«
Alessandro biss die Zähne zusammen. »Ja. Im Keller«, sagte er. »Und Ruggiero hat veranlasst, dass er heute noch abgeholt wird.«
Sie nickte mit geschlossenen Augen.
»Sandro, komm«, sagte der Arzt. Er klang müde. »Du hast da einen bösen Schnitt an der Hand. Und das Blut auf deinem Hemd, ist es dein eigenes?«
Alessandro legte Flannerys Hand behutsam ab. Er beugte sich vor und küsste sie auf eine heile Stelle an der Schläfe, unter der eine zarte blaue Ader pochte. »Es tut mir leid«, flüsterte er. »Das ist mein Fluch, er hat nun auch dich getroffen.«
Er erhob sich und folgte Ruggiero aus dem Zimmer.
32
Ruggiero hatte Flannery am Morgen zum Röntgen ins Krankenhaus gebracht und war dann noch in seine Praxis gefahren, um seine Termine zu organisieren.
Alessandro wanderte ruhelos durchs Haus. Maddalena hatte den Männern ein üppiges Frühstück zubereitet, das sie mit verweinten Augen servierte. Alessandro spürte ihre Blicke, die immer wieder auf seine verbundene Hand, den Schnitt in seiner Wange, die Pflaster an seinem Hals wanderten. Er war selbst überrascht gewesen, was alles an Wunden zum Vorschein gekommen war, als er sich mit Ruggieros Hilfe aus seinen Kleidern geschält hatte. Das kleine, scharfe Skalpell hatte ihn an einem Dutzend Stellen verletzt, dazu kamen die Blutergüsse und Quetschungen, die der Kampf mit Hugo hinterlassen hatte. Nach ein paar Stunden unruhigem Schlaf fühlte er sich jetzt zerschlagen und steif, aber das Schlimmste waren seine Gedanken, die nicht zur Ruhe kommen wollten. Wie ein böser Refrain ging es durch seinen Kopf: Der Fluch. Seine Mutter war gestorben, weil er sie nicht
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