Total Control (Das Labyrinth)
Sein wagemutiger Fahrstil und der Biergeruch in seinem Atem brachten Fisher ein Paar Handschellen und eine rasche Fahrt zur Polizeistation ein.
»Ich hoffe, du kennst einen guten Anwalt, Kumpel«, bellte ihm der Polizist vom Vordersitz aus zu.
Fisher antwortete klar und deutlich. Sein Tonfall verriet Belustigung. »Zufällig kenne ich sogar einen ganzen Haufen Anwälte, Officer.«
In der Polizeistation nahm man seine Fingerabdrücke und lagerte seine persönlichen Besitztümer ein. Man gestattete ihm einen Anruf. Bevor er diesen tätigte, bat er den Polizisten am Empfang höflich um einen Gefallen. Kurz darauf beobachtete Fisher vergnügt, wie der gepolsterte Umschlag im Briefkasten der Polizeistation verschwand. Die »Schneckenpost«. Wenn ihn jetzt seine Techie-Freunde sehen könnten!
Auf dem Weg zur Ausnüchterungszelle pfiff Jeff Fisher fröhlich vor sich hin. Es war nun mal nicht ratsam, sich mit einem MIT-Absolventen anzulegen.
Es war eine angenehme Überraschung für Lee Sawyer, daß er nicht nach Los Angeles reisen mußte, um mit Charles Tiedman zu sprechen. Durch einen Anruf bei der Zentralbank erfuhr er, daß Tiedman sich zur Zeit anläßlich einer Konferenz in Washington aufhielt. Obwohl es fast drei Uhr morgens war, hatte Tiedman, noch an die Westküstenzeit gewöhnt, rasch zugestimmt, mit dem Agenten zu reden. Sawyer hatte sogar den Eindruck, daß der Präsident der Zentralbank San Francisco geradezu darauf brannte.
Im Hotel Four Seasons in Georgetown, wo Tiedman logierte, saßen Sawyer und Tiedman sich in einem Nebenraum des Hotelrestaurants gegenüber, das vor mehreren Stunden geschlossen hatte. Tiedman war klein, Anfang Sechzig, glattrasiert und hatte die irritierende Gewohnheit, unablässig die Hände zu falten und wieder zu öffnen. Selbst zu so später Stunde trug er einen gediegenen, grauen Nadelstreifenanzug mit Weste und Fliege. Über die Weste spannte sich eine geschmackvolle goldene Uhrkette. Sawyer konnte sich durchaus vorstellen, wie der gepflegte Mann mit einer Filzmütze auf dem Kopf in einem Sportwagen mit offenem Verdeck durch die Landschaft brauste.
Das konservative Erscheinungsbild ließ eher auf die Ostküste denn die Westküste schließen, und bald erfuhr Sawyer, daß Tiedman viele Jahre in New York gelebt hatte, bevor er nach Kalifornien übersiedelte. Während der ersten paar Minuten des Gesprächs suchte Tiedman nur gelegentlich unmittelbaren Augenkontakt zu dem FBI-Agenten. Die meiste Zeit betrachteten die wäßrigen grauen Augen hinter der zarten Drahtgestellbrille den Teppichboden.
»Ich nehme an, Sie kannten Lieberman recht gut?«
»Wir haben zusammen in Harvard studiert und bei derselben Bank angefangen. Ich war bei seiner Hochzeit Trauzeuge, er bei meiner. Arthur war einer meiner ältesten und besten Freunde.«
Sogleich packte Sawyer die Gelegenheit beim Schopf. »Seine Ehe wurde geschieden, richtig?«
Tiedman blickte den Agenten an. »Ja, das ist richtig«, erwiderte er.
Sawyer zog sein Notizbuch zu Rate. »Die Scheidung fiel genau in die Zeit, als er für den Posten des Präsidenten der Bundeszentralbank kandidierte, nicht wahr?«
Tiedman nickte.
»Ein lausiger Zeitpunkt.«
»Das kann man wohl sagen.« Tiedman schenkte sich aus der Karaffe, die auf dem Tisch neben ihm stand, ein Glas Wasser ein und trank einen langen Schluck. Die dünnen Lippen wirkten trocken und spröde.
»Soweit ich weiß, begann die Scheidung mit unschönen Szenen, wurde jedoch rasch geregelt und beeinflußte seine Nominierung in keiner Weise. Ich schätze, Lieberman hatte Glück.«
Tiedman prustete. »Das nennen Sie Glück?«
»Damit meinte ich lediglich den Posten bei der Bundeszentralbank. Ich nehme an, als enger Freund von Lieberman wissen Sie wahrscheinlich mehr darüber als jeder andere.« Mit offenem, fragendem Blick sah er Tiedman an.
Eine volle Minute lang schwieg Tiedman, dann stieß er hörbar die Luft aus, stellte das Glas ab und lehnte sich zurück. Nun sah er Sawyer unmittelbar ins Gesicht.
»Es stimmt zwar, daß Arthur Präsident der Bundeszentralbank wurde, doch die Regelung der >unschönen< Scheidung kostete ihn nahezu alles, wofür er jahrelang geschuftet hatte, Mr. Sawyer. Nach einer derartigen Karriere hatte er etwas Besseres verdient.«
»Aber das Amt des Bundeszentralbankpräsidenten ist doch gut bezahlt. Ich habe mich nach dem Gehalt erkundigt. Einhundertdreiunddreißigtausendsechshundert Dollar im Jahr. Damit verdiente er mehr als die meisten.«
Tiedman
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