Total Control (Das Labyrinth)
sich dessen bewußt.
»Wenn Sie Ihr etwas antun -«
»Wir sind nicht an dem Kind interessiert. Die Kleine kann uns ohnehin nicht identifizieren. Nachdem alles vorbei ist, setzen wir sie an einem sicheren Ort ab.« Eine kurze Pause. »Aber Sie werden sie nicht begleiten, Ms. Archer. Für Sie gibt es jetzt keinen sicheren Ort mehr.«
»Lassen Sie meine Tochter frei. Bitte, lassen Sie sie einfach frei. Sie ist doch noch ein Baby.« Sidney zitterte so heftig, daß sie kaum das Telefon an den Mund halten konnte.
»Sie sollten sich die Anweisungen besser notieren. Bestimmt wollen Sie sich nicht verfahren. Wenn Sie nicht aufkreuzen,
bleibt von ihrem Kind nichts zum Identifizieren übrig.«
»Sprechen Sie«, sagte Sidney.
Mit zitternder Hand schrieb sie auf, was die Stimme am anderen Ende ihr diktierte. Dann war die Leitung tot.
»Keine Angst, Baby«, flüsterte Sidney. »Mami kommt.«
Sie lenkte zurück auf die Straße. Plötzlich schoß ihr ein weiterer Gedanke durch den Kopf. Ihre Mutter! Wo war ihre Mutter?! Sidneys Blut schien ihr in den Adern zu gerinnen, während sie das Lenkrad umklammerte. Neuerlich hallte ein Klingeln durch den Innenraum des Wagens. Mit bebender Hand ergriff sie das Telefon, doch niemand war dran. Auch hörte sich das Klingeln anders an.
Abermals rollte sie an den Straßenrand und begann verzweifelt zu suchen. Schließlich verharrte ihr Blick auf dem Beifahrersitz. Kurz starrte sie die Handtasche an, dann streckte sie langsam die Hand aus und holte den Pager heraus. Auf dem winzigen Bildschirm stand eine ihr unbekannte Telefonnummer.
Sidney schaltete das Klingeln aus. Wahrscheinlich hatte sich jemand verwählt. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß jemand aus der Kanzlei oder ein Mandant versucht hatte, sie zu erreichen; schließlich war sie kürzlich gefeuert worden. Schon wollte sie die Nachricht löschen, doch dann hielt ihr Finger inne. Konnte es Jason sein? Wenn tatsächlich Jason angerufen hatte, dann hatte er sich wirklich den schlechtesten nur erdenklichen Zeitpunkt dafür ausgesucht.
Eine Weile verharrte ihr Finger unschlüssig über der Löschtaste. Schließlich legte sie sich den Pager auf den Schoß, griff zum Mobiltelefon und wählte die Nummer auf dem Monitor.
Die Stimme, die sich am anderen Ende meldete, verschlug ihr die Sprache. Offenbar geschahen doch noch Zeichen und Wunder.
Das Hauptgebäude der Hotelanlage lag im Dunkeln; eine Reihe mächtiger Dauerhecken davor unterstrich die Abgeschiedenheit des Anwesens. Während der Kastenwagen die lange Zufahrt hinunterfuhr, traten zwei bewaffnete Wachen zur Tür heraus, um den Fahrer in Empfang zu nehmen. In den letzten Minuten hatte der Schneesturm deutlich an Gewalt verloren. Hinter dem Gebäude peitschte das dunkle, unheilverkündende Wasser des Atlantiks gegen die Küste.
Einer der Wachmänner stolperte einen Schritt zurück, als der Wagen mit unverminderter Geschwindigkeit auf sie zurollte. »Scheiße«, schrie er, als er gleichzeitig mit seinem Kumpan aus der Bahn hechtete. Der Kastenwagen raste an ihnen vorbei, donnerte durch die Eingangstür und kam erst mit durchdrehenden Reifen zum Stehen, als er in eine Innenwand krachte.
Kaum eine Minute später umstellten mehrere schwerbewaffnete Männer den Wagen und rissen die verzogene Tür auf. Niemand saß darin. Die Augen der Männer strichen über die Halterung hinweg, in der sich normalerweise das Autotelefon befand. Nun lag es gänzlich unter dem Vordersitz verborgen, das Kabel war im schwachen Licht der Innenbeleuchtung kaum sichtbar. Es sah so aus, als wäre das Telefon beim Aufprall herausgeschleudert worden.
Sidney betrat das Haus durch den Hintereingang. Als der Mann ihr die Wegbeschreibung durchgegeben hatte, hatte sie sofort erkannt, um welchen Ort es sich handelte. Jason und sie hatten des öfteren in dem Hotel übernachtet, und sie war mit den Räumlichkeiten bestens vertraut. Durch eine Abkürzung, die Sidney genommen hatte, erreichte sie das Hotel in der Hälfte der Zeit, die Amys Entführer ihr zugestanden hatten. Die wertvollen dadurch gewonnenen Minuten nützte sie dafür, Lenkrad und Gaspedal des Kastenwagens mit einem Seil zu fixieren, das sie im Fond des Fahrzeugs gefunden hatte.
Fest umklammerte sie die Pistole, und ein Finger ruhte auf dem Abzug, während sie sich durch die dunklen Räume des Hotels stahl. Zu neunzig Prozent war sie sicher, daß Amy nicht hier war. Die restlichen zehn Prozent hatten sie dazu veranlaßt, den vertäuten Kastenwagen
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