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Total verhext

Total verhext

Titel: Total verhext Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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müssen den richtigen Zeitpunkt abwarten. Hörst du mich, Magrat Knoblauch?«
    »Ja«, ächzte die junge Hexe.
    »Wir sollten irgendeinen ruhigen Ort aufsuchen und miteinander reden«, beschloß Oma. »Über Geschichten.«
    »Über welche Geschichten?« erkundigte sich Magrat.
    »Lily benutzt sie«, fügte Oma hinzu. »Begreifst du das nicht? Man spürt’s überall in diesem Land. Die Geschichten sammeln sich hier, weil sie Gelegenheit bekommen, wirklich zu werden. Meine Schwester verleiht ihnen Kraft. Sie möchte, daß Ella den Herzog heiratet, aber die Gründe dafür sind nicht etwa politischer Natur. Die Hochzeit soll stattfinden, weil es die Geschichte so will.«
    »Was hat Lily davon?« fragte Nanny.
    »Wer steht im Zentrum des allgemeinen Geschehens? Die gute Fee beziehungsweise die böse Hexe. Diesen Platz beansprucht meine Schwester. Es ist wie …« Oma Wetterwachs zögerte und suchte nach einem passenden Vergleich. »Erinnerst du dich an den Zirkus, der im letzten Jahr nach Lancre kam?«
    »Ja.« Nanny Ogg nickte. »Junge Frauen in Strumpfhosen, an denen viele Pailletten glänzten. Und junge Männer, die ihnen Tünche oder was weiß ich über die Beine gossen. Aber Elefanten habe ich keine gesehen. Es sollten Elefanten gezeigt werden. Das behaupteten jedenfalls die Plakate. Zwei Cent habe ich bezahlt, aber es trat kein einziger Elefant auf …«
    »Ich meine folgendes«, sagte Oma, als sie den Weg fortsetzten. »Erinnerst du dich auch an den Mann in der Mitte? Hatte einen langen Schnurrbart und einen großen Hut.«
    »Ja, aber er zeigte überhaupt keine Kunststücke oder so«, erwiderte Nanny. »Stand einfach nur da und ließ manchmal die Peitsche knallen, während um ihn herum die Akrobaten tollten.«
    »Deshalb war er die wichtigste Person«, sagte Oma. »Die sich um ihn drehenden Ereignisse gaben ihm Bedeutung.«
    »Womit verleiht Lily den Geschichten Kraft?« fragte Magrat.
    »Mit Leuten«, antwortete Oma Wetterwachs und runzelte die Stirn.
    »Geschichten!« brummte sie. »Nun, wir werden sehen …«
     
    Grünes Zwielicht senkte sich auf Gennua herab. Nebelschwaden vom Sumpf zogen durch die Stadt.
    Fackeln brannten in den Straßen. Überall bewegten sich schemenhafte Gestalten und zogen Planen von Festwagen. Hier und dort läuteten kleine Glocken.
    Die Bewohner von Gennua lebten das ganze Jahr über in leiser Zurückhaltung. Aber in jedem Kalender gibt es eine Nacht, die es den Unterdrückten und Geknechteten erlaubt, vorübergehend das Gleichgewicht der Welt wiederherzustellen. Diese Zeit mag Narrenfest oder König der Bohne genannt werden. Oder Samedi Nuit Morte. Bei solchen Gelegenheiten können sich selbst jene Leute vergnügen, die sonst immer die schwere Bürde von Pflicht und Verantwortung tragen.
    Zumindest die meisten von ihnen …
    Die Kutscher und Lakaien saßen neben den Ställen in einem Schuppen, nahmen das Abendessen ein und klagten darüber, in der Toten Nacht arbeiten zu müssen. Dabei vollzogen sie ein altehrwürdiges Ritual, mit dem sie herausfanden, was die Ehefrauen den Kollegen eingepackt hatten, um dann auf diejenigen neidisch zu sein, deren Frauen sich offensichtlich mehr kümmerten.
    Der oberste Lakai hob vorsichtig eine Schnitte mit dicker Kruste.
    »Ich habe Hühnchenhals mit Essiggurke«, sagte er. »Hat jemand Käse?«
    Der zweite Kutscher spähte in seinen Kasten. »Schon wieder gekochter Schinken«, stöhnte er. »Sie gibt mir immer gekochten Schinken. Obwohl sie genau weiß, daß ich ihn nicht mag. Außerdem schneidet sie nie das Fett ab.«
    »Ist es dick und weiß?« erkundigte sich der erste Kutscher. »Das Fett, meine ich.«
    »Ja. Gräßlich. Ich frage euch: Eignet sich so was etwa für ein Festmahl?«
    »Ich gebe dir dafür Kopfsalat und eine Tomate.«
    »In Ordnung. Was hast du, Jimmi?«
    Der Unterlakai öffnete verlegen ein liebevoll vorbereitetes Paket. Es enthielt vier mit Petersilie garnierte Brote ohne Krusten. Sogar eine Serviette war vorhanden.
    »Geräucherten Lachs und Schmelzkäse«, sagte er.
    »Und ein Stück vom Hochzeitskuchen«, stellte der erste Kutscher fest. »Habt ihr ihn noch immer nicht aufgegessen?«
    »Wir essen jeden Abend davon«, erwiderte der Unterlakai.
    Lautes Gelächter erklang. Überall im Multiversum sorgen selbst unschuldigste Bemerkungen eines frisch verheirateten Mannes bei den erfahreneren und zynischeren Kollegen für Erheiterung. Das geschieht selbst bei Personen, die neun Beine haben und auf einem sehr kalten Planeten am

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