Total verschossen
doch es war unübersehbar, mit welcher Freude er ihr beim Essen zusah, während er selbst an seinem Kaffee nippte.
»Manchmal kommst du mir vor wie ein kleines Mädchen«, sagte er, als er merkte, dass sie sich über seine Blicke wunderte. »Hast du eigentlich je Kind sein können, oder musstest du viel zu schnell erwachsen werden?«
Ein Schatten huschte über Jamies Züge. »Ja, ich habe schon das Gefühl, dass ich zu schnell erwachsen werden musste, aber mein Dad und ich, wir hatten auch echt schöne Zeiten.«
Max schmunzelte. »Erzähl mir mehr davon.«
Jamie machte eine wehmütige Miene. »Er hat mich zum Beispiel hin und wieder nach Charleston ausgeführt. Wir haben in einem schicken Restaurant gegessen und eine Kunstgalerie besucht oder ein Museum. Ich habe dann mein schönstes Kleid angezogen. Mein Dad war einfach toll. Ich kann mich nicht erinnern, dass er mich je geschimpft hätte, dass er je böse mit mir wurde. Außer einmal, als ich ihm sagte, dass ich mein Studium aufgeben will, um ihm in der Zeitung helfen zu können. Davon wollte er nichts wissen.«
»Ich bin froh, dass du so viele schöne Erinnerungen an ihn hast«, sagte Max.
»Vera meint, er hat mich total verwöhnt, und das stimmt wahrscheinlich auch.«
»Was denkst du, warum hat er nie mehr geheiratet?«
Jamies Blick verdüsterte sich. »Ich glaube, er ist nie darüber hinweggekommen, dass meine Mutter ihn verlassen hat. Er hat ihre Sachen jahrelang aufgehoben. Bis Vera ihn schließlich zwang, sie in die Altkleidersammlung zu geben.«
»Hatte er denn nie Verabredungen?«
»Nein. Und das lag nicht an mangelnder Gelegenheit. Mein Vater war ein attraktiver Mann. Willst du mal ein Bild sehen?« Ohne seine Antwort abzuwarten, griff sie in ihre Tasche und holte ihr Portemonnaie hervor. Sie öffnete es und zeigte ihm das Bild eines dunkelhaarigen Mannes.
»Ja, man kann die Ähnlichkeit zwischen euch sehen«, sagte Max. Er gab ihr das Bild zurück. »Du musst sehr an ihm gehangen haben.«
Jamie nickte. »Sein Tod war furchtbar für mich.«
»Und warum, denkst du, hat Vera nie geheiratet?«, wechselte Max taktvoll das Thema.
»Vera hat meinen Vater geliebt, Max«, antwortete sie schlicht.
»Das dachte ich mir.«
»Sie hat‘s mir gegenüber nie zugegeben, aber ich wusste es trotzdem.«
»Ich frage mich, warum sie nie was zu ihm gesagt hat.«
»Vera hat ihren Stolz. Wieso hätte sie einem Mann, der so offensichtlich einer anderen nachtrauerte, ihre Gefühle gestehen sollen?«
»Fehlt sie dir? Deine Mutter, meine ich.«
»Wie soll einem etwas fehlen, was man nie hatte?«, sagte Jamie grüblerisch. »Natürlich gab es Zeiten, in denen ich mir brennend eine Mutter gewünscht hätte. Ich habe die Mädchen beneidet, deren Mütter bei Schulveranstaltungen und Ausflügen mithalfen. Nicht dass Vera nicht geholfen hätte«, beeilte sie sich zu sagen. »Aber das war nicht dasselbe.«
»Tut mir Leid, Jamie.«
»Ach, nicht doch. Ich habe alle Liebe und Zuwendung bekommen, die sich ein Kind nur wünschen kann. Ich hoffe bloß -« Sie hielt inne und wurde rot.
Max wartete. »Was hoffst du?«
Jamie wagte es, ihn anzuschauen. »Ich hoffe bloß, dass ich mal eine bessere Mutter werde, wenn ich mal Kinder haben sollte.«
Er lächelte. »Du wirst eine tolle Mutter, Jamie.«
»Ich weiß nicht. Schau dir Flohsack an. Da habe ich so ziemlich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Und er ist nur ein Hund.«
Max lachte. Sie unterhielten sich noch über eine Stunde lang, dann bat Max um die Rechnung. Als er bezahlt hatte, sah er Jamie an. »So, Süßes. Was würdest du dir gerne ansehen, jetzt, wo wir in New York sind?«
Da musste sie nicht lange überlegen. »Den Times Square«, antwortete sie.
»Gebongt, Swifty.«
Als sie aus dem Restaurant traten, stand die Limousine schon bereit. Jamie starrte ehrfürchtig aus dem Fenster, zu den hoch aufragenden Wolkenkratzern hinauf, die sich im Nachthimmel verloren. »So viele Menschen, nicht zu fassen«, staunte sie. Als der Times Square in Sicht kam, bat Max den Fahrer, das Verdeck zu öffnen, damit Jamie alles besser sehen konnte.
»Sieht genau wie im Fernsehen aus«, sagte sie aufgeregt, während sie sich mit funkelnden Augen umschaute, ganz wie ein Kind am Weihnachtsabend. Sie fuhren etwa eine Stunde lang durch die Stadt, dann bat Max den Fahrer, sie bei Sardi‘s abzusetzen, wo sie einen Kaffee tranken.
Als es Zeit wurde, zum Flugplatz zurückzukehren, blickte Jamie Max in die Augen.
»Vielen
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