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Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Titel: Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Flipo
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so ungemein? Die Kommissarin hatte keine Zeit gehabt, Zeitung zu lesen, aber sie wusste, was man über den Mord an Élisabeth Blum schrieb. Ungereimtes Zeug, Geschwätz. Auf gut Französisch: Schwachsinn. Viviane selbst könnte nichts Derartiges schreiben: Weder beherrschte sie die Kunst, ihre Sätze im Konjunktiv der Anspielungen zu formulieren noch sie mit der Floskel » Aus sicherer Quelle« beginnen zu lassen. Sie hasste die Medien. Monot konnte sagen, was er wollte, jeder Polizist hatte das Recht, sie zu hassen.
    Priscilla Smet empfing den Lieutenant mit einem großen Lächeln, wie es sich für so ein Luder gehörte, und ignorierte Viviane, als habe sie erraten, dass die Kommissarin ihr die gleiche Behandlung zukommen lassen wollte.
    Die Pressetante nahm das Mikro und kündigte an: » Ich erinnere Sie daran, dass diese Pressekonferenz ausschließlich dem Fall mit dem Sonett gewidmet ist. Es wird hier nicht um die Verhaftung von José Tolosa gehen, die momentan Gegenstand einer gesonderten Untersuchung ist.«
    Viviane bemühte sich um ein verbindliches Lächeln, sie wusste nicht, wo sie beginnen sollte. Aber es war auch egal, irgendwo eben, es würde schon passen. Die Hobbykryptografen hatten das Internet mit ihren Hirngespinsten überschwemmt, und die Journalisten hatten sie sich munter angeeignet: » Können Sie bestätigen, dass die Polizei die Hypothese von der geheimen Botschaft überprüft?«, » Welche der kryptografischen Techniken scheint Ihnen die erfolgversprechendste zu sein?«, » Welche Folgen wird dieser erste Besuch bei einem Medium für Sie nach sich ziehen?«
    Sie dementierte, bestätigte, verstrickte sich.
    Es war Monot, der sie errettete. » Meine Damen, meine Herren, ich verstehe und respektiere den Wunsch nach Information, der Sie leitet, aber ich bitte Sie zu akzeptieren, dass die Verbreitung gewisser Fakten Menschenleben gefährden kann. Was ich Ihnen sagen kann, ist, dass die Polizei keine Spur unbeachtet lässt. Ich sage keine Spur, so abwegig sie auch scheint.«
    Der letzte Satz zeigte Wirkung. Nachdem er den Mord an Élisabeth Blum erwähnt hatte, ging Monot noch einmal auf die vorhergegangenen Ereignisse ein und wies darauf hin, dass die Autorschaft von Baudelaire mehr als wahrscheinlich sei. Er erklärte, dass die grafologische Analyse des Gedichts von einem anderen Experten zu Ende geführt würde. Die Ergebnisse würden der Presse demnächst in extenso zur Verfügung gestellt werden. Das in extenso hatte er mit dem hinreißenden Vibrato eines alten Politikers gesagt. Dann verriet er, dass die Polizei dabei war, sich ein genaueres Bild des Mörders zu machen, und es bald mehr Erkenntnisse geben würde.
    Ein kleiner, in einen alten Dufflecoat eingehüllter Bärtiger erhob sich. » Sie erwähnten den Anschlag auf Saint-Croÿ. Haben Sie in Betracht gezogen, dass er seinem Dienstmädchen gegolten haben könnte?«
    Viviane fuhr zusammen. Nein, das hatte man nicht in Betracht gezogen. Monot versicherte, dass auch dieser Spur selbstverständlich nachgegangen worden sei, er war perfekt, der Lieutenant, solange er keine Katzen adoptierte.
    Aber der Bärtige mit dem Dufflecoat war noch nicht fertig. » In dem Sonett ist die Rede von einer schwarzen Sklavin und einer jüdischen Vestalin. Heute geraten wie durch Zufall ein afrikanisches Hausmädchen und ein altes Fräulein israelitischen Glaubens ins Visier. Wie sehen Sie diese Parallele?«
    Jetzt wurde es brenzlig. Nun war es an Viviane, Monot zu retten. » Diese Parallele ist völlig unberechtigt, meine ich. Die beiden Personen, von denen Sie sprechen, sind ehrwürdige Leute und…«
    Weiter kam sie nicht, die Journalistin von Entre Elles hatte sich erhoben, bebend vor Empörung. » Wie bitte! Ist Lesbianismus etwa nicht ehrwürdig! Das ist ein Skandal!«
    Die Debatte zwischen den Teilnehmenden war ins Rollen gekommen, man beschimpfte und bedrohte einander, niemand hörte mehr auf Kommissarin Viviane Lancier von der 3. Pariser Kriminalabteilung und ihren Lieutenant Augustin Monot, die sich diskret zurückzogen. Die Medien würden ihren Lesern genügend Brocken vorwerfen können, die Pressekonferenz war überaus gelungen.

Kapitel 11
    In der nächtlichen Feuchtigkeit stank das Auto noch mehr nach erbrochenem Jasmin, es war unerträglich. Aber Viviane machte sich über etwas anderes viel mehr Gedanken, als sie mit Monot ins Kommissariat zurückfuhr.
    » Was meinten Sie, Lieutenant, als Sie sagten, dass die Polizei dabei sei, sich ein genaueres

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