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Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Titel: Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Flipo
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Medienrummel war fantastisch gewesen, ganz Frankreich würde heute Abend vor dem Fernseher sitzen, die anderen Kanäle dürften nur eine verschwindend geringe Quote haben. Priscilla Smet hatte sich selbst eingeladen, sie behauptete, unentbehrlich zu sein, niemand wusste, warum. Viviane ließ ihren Blick durch den Saal streifen: Alle ihre werten Protagonisten waren da, nur die Toten fehlten. Sie fragte sich, wer wohl das nächste Requiem für sich beanspruchte. Patricia Mesneux, die für die Kameras ein einnehmendes Dekolleté zur Schau trug, der Kommissarin aber die kalte Schulter zeigte, als hätte sie ihr das Apartment in der Avenue Victor-Hugo geklaut? Gary Mesneux, der alle anlächelte und seine Medienkarriere anschob? Louis Saint-Croÿ, der mit dem Kameramann nach der besten Methode suchte, seine Dokumente von allergrößtem Wert abzufilmen? Joa, die nur langsam ächzend auf ihren Krücken vorankam? Laurette Saint-Croÿ, die Visitenkarten verteilte, auf denen sie sich als » Junior-Pressesprecherin« präsentierte? Christophe Le Marrec, ganz in Schwarz und geschminkt, Träger einer schweren Silberkette? Er schien schon ganz aufzugehen in seiner neuen Funktion als Medium. Jean-Paul Cucheron, der Grafologe, der nicht wusste, mit wem er reden sollte? Jedes Mal, wenn er den Mund öffnete, flüchtete sein Gesprächspartner. Xavier Baudelaire, der sich hinter einer lächerlichen venezianischen Maske versteckte, die nur die untere Hälfte seines Gesichts freiließ? Diese Verkleidung, die ihm in den Medien mehr Aufmerksamkeit verschaffen sollte, war ihm von einem Freund aus der Werbebranche empfohlen worden. Gerade hatte er Joa erkannt und sie nach Neuigkeiten aus dem Cabaret befragt, ohne zu verstehen, warum er sich eine Abfuhr holte.
    Man wartete auf das Essen. Die Tür ging auf. Capitaine De Bussche und Brigadier Gamoudi traten ein, beladen wie die Heiligen Drei Könige, und verkündeten das Menü: Als Aperitif gab es eine sogenannte Kémia, um die sich Gamoudi persönlich gekümmert hatte.
    » Eine Kémia?«, fragte Cucheron angewidert. » Was ist das denn?«
    » Das ist eine mediterrane Vorspeise: Mandeln, Pistazien, Cashewnüsse, schwarze und grüne Oliven, Bottarga, Kakis. Ich habe noch Zucchini-, Auberginen-, und Karottenpaste dazu machen lassen, Kartoffeln mit Kreuzkümmel, Rüben mit Bitterorangenaroma und rohen Fenchel.« Gamoudi hatte das in einem Atemzug hervorgebracht, begleitet von einem humanistischen Lächeln: Diese Kémia war voller guter Gefühle.
    » Danach geht es mit dem Essen vietnamesisch weiter«, ergriff De Bussche das Wort. Er packte die Gerichte aus und kündigte sie an: bo bun cha gio, Nems, mi sao don, banh xeo, bo nhung dam, miên qua und cha ton kho. Er hätte das natürlich auch auf Französisch sagen können, aber die argwöhnischen Gesichter der Gäste freuten ihn.
    » Gibt es nichts Französisches?«, fragte Patricia Mesneux. » Wir sind doch immerhin im französischen Fernsehen.«
    Die Show begann. Die Hauptgänge waren als kaltes Büfett auf einem Tisch angeordnet, die Vorspeisen auf einem anderen, einige Meter weiter. Dazwischen diente ein großer Kleiderständer als Garderobe. Alle ließen ihre Mäntel und Taschen dort, um am Büfett die Ellenbogen besser einsetzen zu können. Vertrauensvoll ließ Saint-Croÿ sogar seine wertvolle Tasche dort stehen und drängte sich nach vorne durch, von wo er nicht wegzubekommen war, als sei Literatur tatsächlich eine brotlose Kunst.
    Alle bereiteten sich auf den großen Moment vor, der gleich kommen würde. Sie quetschten sich zusammen und wiederholten die schönen Worte, die sie sich schon Tage vorher zurechtgelegt hatten und die man sie bitten würde, vor den Kameras zu improvisieren.
    Die Produktion kündigte an, dass die Kameras bereit seien, man könne beginnen. Jean-Pierre Lavenu klatschte in die Hände und ordnete an: » Zu Tisch!« Der Vorspann wurde abgespielt. Kamera läuft, Action! Lavenu frohlockte, seine glorreiche Stunde war gekommen.
    Er positionierte sich in der Mitte, um ganz bescheiden den Vorsitzenden zu spielen. Die Kommissarin hatte er mit majestätischer Geste an seine Rechte beordert, Priscilla Smet an seine Linke. Ob sie begriffen, welche Ehre das war?
    Die anderen nahmen eingeschüchtert Platz. Capitaine De Bussche blieb stehen, um den Saal besser im Blick zu haben. Brigadier Gamoudi, der sich erst an den Tisch setzen wollte, stand auf, zählte die Gäste und stellte sich abseits. » Wir sind dreizehn, das bringt

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