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Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Titel: Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Flipo
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Unglück. Ich werde im Stehen essen.«
    Lavenu jubelte: Diesen Satz hatte er nicht vorgesehen, aber er war großartig, wirkte vor den Kameras so spontan. Somit hatte er eine wunderbare Einleitung zum Thema: » Meine Damen, meine Herren, guten Abend. Wie schon gerade unser guter Freund, der Brigadier, sagte, sprechen wir heute Abend von einer Sache, in der alles Unglück bringt, angefangen bei den Polizisten, die sich damit befassen.«
    Viviane antwortete nicht. Der Moderator wartete nur darauf, um Gemeinheiten in die Runde zu werfen. Sie stand auf, um sich am Büfett noch mehr Nems zu holen.
    Enttäuscht eröffnete Lavenu eine Runde am Tisch: Er fragte jeden danach, was die Sache mit dem Sonett in seinem Leben verändert habe. Aber kaum öffnete ein Gast den Mund, um zu antworten, stellte der Moderator eine andere Frage oder ging zum nächsten Gast über. Die Eingeladenen waren verwirrt, doch das war egal, der Führer war er, er alleine sorgte für die Quote, er verschaffte seinen Gästen Geltung.
    Patricia Mesneux legte ihre Bewunderung für das lyrische Werk ihres Mannes dar und war im Begriff, einige Stanzen vorzulesen, als Lavenu sie unterbrach, um Xavier Baudelaire das Mikro zu reichen, Zeit genug, um ihn vom Kill Mouch’ erzählen zu lassen: » Lassen Sie Ihre Kühe am Algen-Leckstein lecken, und sagen Sie Adieu zu den Fliegen und Zecken!« Haha, großartig, sehr witzig, weiter ging es zu Louis Saint-Croÿ.
    Der zog sich am besten aus der Affäre. Immer wenn Lavenu ihn unterbrach, erhob der alte Handschriftenexperte die Stimme und begann seinen Satz von vorne. Lavenu ließ Saint-Croÿ daraufhin ausreden. Dieser erklärte, dass diese Sache sein Leben auf den Kopf gestellt habe. Er wolle nicht mehr zulassen, in Angst und Schrecken zu leben, wolle seine Familie schützen. Er habe daher beschlossen, seine Sammlung von Autografen und seltenen Ausgaben zu verkaufen.
    » Wie? Ihre ganze Sammlung verkaufen?«, wunderte sich Lavenu, der Sinn für Dramatik hatte, » Sie verkaufen sie?«
    » Die ganze Sammlung, Sie haben richtig gehört«, bestätigte Louis Saint-Croÿ und wischte sich sein feuchtes Auge.
    Das war die Sensation des Abends. Man applaudierte lange, aufs Geratewohl.
    Der junge Gary war brillant, er konnte sich Hoffnungen auf eine Fernsehkarriere machen, wie er sie sich vorstellte. Er fiel den anderen ins Wort, fuhr sie in einer gekonnten Mischung aus Jugendsprache und Medienslang voller Französischfehler an, sprach jeden mit Vornamen an und schloss mit den katastrophalen Auswirkungen dieser Sache auf die Vorbereitung seines Abiturs. Der Abschluss war ihm sicher, während des letzten Jahresdrittels würde er ruhig schlafen können.
    Jean-Pierre Lavenu hatte es geschafft, Laurette Saint-Croÿ zum Weinen zu bringen, Xavier Baudelaire ins Schwitzen, Jean-Paul Cucheron zum Schweigen. Die erste Runde war äußerst gut gelungen.
    Während der Werbepause stürzte sich die Meute aufs Büfett, es fehlte nur das Geschrei. Fünf Minuten später war keine Sojasprosse mehr übrig. Die Sendung ging weiter, Lavenu richtete sich an Saint-Croÿ. » Er war doch ein großes Schwein, Ihr Baudelaire. Sein kleines Sonett hat es noch immer in sich.«
    » Oh«, amüsierte sich Saint-Croÿ, » er hat noch viel Schlimmeres geschrieben. Wenn Sie wollen– ich habe in meiner Tasche eine Kopie des Originals von Lola de Valence, die ihm die Zensur der Blumen des Bösen eingetragen hat:
    Bei so vielen Schönen, wohin man auch blickt,
    Muss ich das Schwanken der Wünsche verstehn;
    Doch Lola de Valence kann man funkeln sehn
    Wie ein rosa und schwarzes Juwel, das entzückt.«
    Jean-Pierre Lavenu setzte eine schockierte Miene auf. » Ohhhh!, ein rosa und schwarzes Juwel, hat Baudelaire das geschrieben? Zeigen Sie uns das Ding, also, das Gedicht, haha, nicht das rosa und schwarze Juwel, haha!«
    Saint-Croÿ stand auf, um das Manuskript aus seiner Tasche zu holen. Die Kamera folgte ihm. Und wie die Gäste sahen auch Millionen Fernsehzuschauer wie er sich wieder aufrichtete, aschfahl. » Jemand hat das in meine Tasche getan. Was soll ich damit machen?« Er hielt eine Granate in der Hand.
    Einzig Jean-Pierre Lavenu wusste gleich, wie er zu reagieren hatte: erst einmal lächeln. Morgen würde ganz Frankreich von seiner Sendung sprechen. Dann: sich als Erster in Sicherheit bringen.
    Capitaine De Bussche brauchte ein paar Sekunden, um in Aktion zu treten. Er näherte sich Saint-Croÿ und nahm ihm die Granate aus der Hand. Langsam, sehr langsam:

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