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Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Titel: Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Flipo
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Sie begann mit dem Einfachsten: » Ich habe nur eine kleine Frage. Das Handy von Madame Blum– warum haben Sie es mitgenommen?«
    » Sie hatte es aus ihrer Tasche geholt, wahrscheinlich um jemanden anzurufen, sobald sie aus dem Fahrstuhl kam. Während des Streits wollte sie mich damit schlagen. Ich habe es ihr aus den Händen gerissen und behalten, wegen der Abdrücke. Das hat mich auch auf die Idee mit dem Anruf gebracht.«
    » Der Streit! Das haben Sie aber nett gesagt.«
    Cucheron blickte Viviane mit unendlichem Überdruss an. Der Blick eines Leidenden, der darum bettelt, in Ruhe gelassen zu werden.
    Aber Viviane hatte noch eine andere Frage: » Übrigens, als Sie zu ihr kamen, wussten Sie schon, dass Sie sie töten würden?« Sie hatte das ganz nebenbei gefragt, als spräche sie von einer Kleinigkeit.
    Er zuckte mit den Schultern und antwortete abwesend: » Ja und Nein. Es hing sehr von ihr ab: Wenn sie mich als Coautor hätte unterzeichnen lassen, wäre alles viel einfacher gewesen. Aber davon wollte sie nichts wissen. Also musste ich sie mit dem Auto irgendwo hinbringen, um das draußen zu regeln. Ich habe ihr angeboten mit mir im Grande Cascade zu essen, beim Bois de Boulogne, und über unsere Zusammenarbeit zu sprechen. Ich dachte, beim Bois de Boulogne wäre es einfacher, diskreter.«
    » Sie hatten also beschlossen, sie zu töten.« Viviane hatte das in einem sehr bedrängenden Ton gesagt, aber Cucheron schien das nicht aufzufallen.
    » Ja und Nein, habe ich Ihnen gesagt. Um ehrlich zu sein, ich war nicht sicher, ob ich den Mut aufbringen würde. Ich wollte es, ich hasste sie, ich hatte ein Messer mitgenommen. Aber als sie dann vor mir stand, so zerbrechlich wie ein altes Mädchen, da konnte ich mir nicht mehr vorstellen, es ihr in den Bauch zu rammen, sie bluten zu lassen. Verstehen Sie?«
    Nein, sie verstand nicht. Sie hatte noch nie einen so wenig motivierten Mörder getroffen. Sie bevorzugte Kunden wie Tolosa.
    » Einem Essen mit mir hat sie zugestimmt, Vorschläge zur Zusammenarbeit aber mit gerümpfter Nase angehört. Ich habe mich nicht täuschen lassen– sie wollte mich einschüchtern, um ihre Bedingungen besser zu verhandeln. Der Klassiker; so machen es diese Leute halt.«
    Diese Leute? Vor allem jetzt nichts anmerken, nicht den Faden kappen. Die Falltür würde sich bald öffnen, sie fühlte es, um jede Menge nicht verdrängter, fauliger Hassgefühle aufzufangen. Sie begnügte sich mit einem: » Und weiter?«
    Cucheron hatte Vertrauen gefasst, fuhr fort: » Im Fahrstuhl haben wir weiterdiskutiert. Da schaute sie mich angeekelt an, als ich anfing zu sprechen, rückte von mir ab. Als sie dann mit mir redete, spielte sie die Angewiderte, drehte den Kopf weg, es war so demütigend, beleidigend, sie tat das, um mich zu erniedrigen, bevor die Rede auf Zahlen kommen sollte. Also…«
    Viviane betrachtete ihn verblüfft: In der vierten Etage war es ein Problem von Mundgeruch, im Erdgeschoss war daraus eine vorsätzliche Straftat geworden. Sie sagte: » Also musste alles mit einem Mal raus, ist es nicht so?« Sie sagte nichts weiter. Es waren so viele Gefühle da, die sie gerne kurz in Worte gefasst hätte: Wut, Verachtung, ein unbestimmtes Mitleid. Aber vor allem war da dieses Gefühl von Dringlichkeit: ein Geständnis, schriftlich, unwiderruflich, schnell. Sie sah Cucheron voller Sympathie an, zog die Schultern hoch, ließ sie wieder fallen, als laste auf ihnen etwas Schicksalhaftes.
    Cucheron warf ihr den Blick eines Leidensgefährten zu. » Ja, Commissaire, so ist es, es musste mit einem Mal raus.« Nun seufzte er seinerseits und mahlte langsam mit den Zähnen, als kaute er auf dem Es herum, dessen Natur Viviane vorausahnte.
    Nicht reagieren, nicht laut werden. Sie musste dieses Vertrauensverhältnis schützen, sie würde es später noch brauchen. » Und bei Astrid Carthago war es genauso?«
    Vergeigt– der Übergang war zu schroff. Cucheron versteifte sich. Er ging wieder in die Defensive, hatte seinen Verdächtigen-Blick wieder. Er hatte sich wohl erkundigt: Ein zweiter Mord würde ihm fünf Jahre mehr einbringen. » Nein, Commissaire, tut mir leid. Das war nicht genauso, mit dieser Sache habe ich nichts zu tun. Ich war ihr Kunde, ich war sogar einer ihrer letzten Kunden, ich habe sie noch am selben Morgen aufgesucht, einige Stunden vor ihrem Tod. Das war’s.«
    Der Faden war gekappt, jetzt würde es schwieriger werden. Sie hatte keine Beweise. Sie erkannte nicht einmal ein Motiv. » Kommen Sie,

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