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Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Titel: Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Flipo
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Adjektiv. Er schien glücklich zu sein, schreiben zu dürfen. Dann legte er endlich seinen Stift ab und hielt Viviane seine Aufgabe hin.
    Sie las, atmete durch: Das war ein exzellentes Geständnis, auch wenn sie nicht stolz darauf war. » Erklären Sie noch, dass Sie das aus freien Stücken aufgeschrieben haben, und unterschreiben Sie.«
    Sie nahm das Blatt wieder an sich. Sie würden wie zwei alte Komplizen hinausgehen. Nun bereitete Viviane sich auf den letzten Akt vor.
    Auf dem Treppenabsatz legte sie ihm die Handschellen auf dem Rücken an, beugte sich über das kleine Geländer, schaute von der vierten Etage hinunter und machte Cucheron ein Zeichen, zu ihr zu kommen. » Sehen Sie unten den Ausgang vom Fahrstuhl? Bis hierher, bis zum fingierten Telefonanruf waren Sie der Stärkere. Von da an gerät Ihr Leben ins Stolpern. Hinter Gittern wird das nicht einmal mehr ein Leben sein. Aber es gibt eine andere Lösung, das Arrangement über das ich mit Ihnen sprach. Kehren Sie an den Anfangspunkt zurück. Hinterlassen Sie Jean-Paul Cucheron in guter Erinnerung. Wenn ich an Ihrer Stelle wäre…«
    Mit einer einfachen Kinnbewegung deutete sie den Sprung über das Geländer an. Cucheron machte ein Gesicht wie ein Waisenkind, das seine Freundin vom Sozialamt verliert, sie antwortete mit einem traurigen Lächeln.
    Er rührte sich nicht. Dieser Typ war eine Enttäuschung. Weniger mutig, als sie dachte. Sie zählte auf diesen Selbstmord, sie brauchte ihn. Das war er ihr schuldig, nach der Sitzung, die sie sich gerade angetan hatte. Aber Cucheron blieb unbeweglich. Melancholisch betrachtete er den Abgrund, als würde er sein Leben darin sehen. Er schien zu warten, dass man ihm half zu springen, ihn schubste. Das war zu viel für Viviane. Es gab eine elegantere Lösung.
    Sie drehte sich um, um mit dem Schlüssel im Schloss herumzuspielen. Sie wollte bei ihrer Ehre behaupten können, dass alles passierte, während sie mit dem Rücken zu ihm stand. Sie hörte seinen schweren Atem.
    » Zögern Sie, weil Sie befürchten, dass es weh tut? Wenn Sie mit dem Kopf zuerst springen, merken Sie gar nichts, Sie sind sofort tot. Im Übrigen sterben Sie ja nicht wirklich, Sie werden aufgenommen in den Kreis der glorreichen Abgänge.«
    Der Atem wurde langsamer, mächtiger.
    » Morgen«, fuhr sie fort, » werden alle Medien von Ihnen sprechen, und wie Sie die Gesellschaft ein letztes Mal herausgefordert haben. Ganze Seiten, Berichte in den Zwanzig-Uhr-Nachrichten. Unbekannte werden Lobreden auf Sie halten. Ich werde Ihre letzten Worte zitieren. Wenn Sie keine haben, ist nicht schlimm, dann frage ich Lieutenant Monot. Der ist Literat, er wird sich etwas sehr Schönes ausdenken. Diese Worte werden, wie Sie, in der Nachwelt weiterleben.«
    Der Atem war verstummt. Sie hörte den Aufprall des Körpers vier Etagen weiter unten. Sie drehte sich endlich um und ging hinunter zu ihm ins Erdgeschoss. Er war mit dem Kopf zuerst gesprungen.
    Viviane starrte die Leiche an, seltsam ruhig. Wieso hatte sie das getan? Um zu vermeiden, dass er sein Geständnis widerrief? Um jede Spur dieser wenig glorreichen Unterhaltung zu verwischen? In allem war ein Stück Wahrheit, das war ihr ganz klar. Aber die richtige Antwort war viel einfacher. Sie hatte den Fall zu Ende bringen wollen, weil es unglaublich dringend war: Es war das Geschenk für Monot, der in seinem Krankenhausbett auf sie wartete.
    Sie musste sich nur noch eine schöne Version der Geschichte ausdenken. Eine offizielle Version. Sie würde ihm das Recht geben, sie für ihre Unvorsichtigkeit zu tadeln, wenn sie sie erzählte.
    Genau diese Version hörte Monot sich einige Stunden später in seinem Krankenbett an. Er lächelte Viviane zu. Das Lächeln eines Märtyrers, der von den Engeln fortgetragen wurde.
    » Also, unser erster Fall, abgeschlossen?«
    » Abgeschlossen, Monot, genau zwei Monate nach Beginn. Das freut mich. Was mich am meisten freut, ist, dass kein Mann aus der Truppe seine Finger im Spiel hatte.«
    Er schüttelte langsam den Kopf, schien nicht einverstanden. In einem Atemzug sagte er: » Nein, nicht abgeschlossen. Ihre Vergiftung fehlt.« Er zwinkerte ihr schwach zu, der Flügelschlag eines Schmetterlings, der sie zum Schmelzen brachte. Sie lachte aus vollem Halse. Sie musste für zwei lachen.
    Sie wollte hinzufügen, dass es noch einen weiteren Schuldigen gab, der nicht zur Verantwortung gezogen werden konnte, zwangsläufig: die Medien, so schön, wenn man sie von unten betrachtete, die

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