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Tote essen kein Fast Food

Titel: Tote essen kein Fast Food Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Baron
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knipste die Lampe aus und blieb stehen, während ich in der totalen Finsternis gegen ihren Rücken prallte. Den Schrei in meiner Kehle konnte ich gerade noch ersticken. „Ich dachte, ich hätte was gehört.“ Wir lauschten in die Dunkelheit und ich hatte das Gefühl, meine Ohren summten vor Konzentration und erfanden ihre eigenen Geräusche. Aber da war nichts. Svea holte tief Luft, knipste Jans Lampe wieder an und wir folgten dem Tunnel weiter. Nach ungefähr zehn Schritten hielt ich ein kleines Wollgespinst in der Hand.
    „Svea, schau mal.“ Der Lichtstrahl traf meine Hand, aus der es uns smaragdgrün entgegenleuchtete. Der Faden der Ariadne – er war zu Ende. Ich konnte es nicht sehen, aber ich war mir sicher, dass es um Sveas Mund zuckte. Oder dass sie die Lippen zusammenpresste, so fest sie konnte. Zärtlich berührte sie das, was von dem Wollknäuel übrig geblieben war.
    „Dann kann es nicht mehr allzu weit sein“, flüsterte sie, umklammerte die Taschenlampe so fest, dass die gebräunte Haut um ihre Fingerknöchel sich spannte, und wandte sich um.
    Wir stolperten weiter vorwärts, bis Svea erneut innehielt und das Licht löschte. Erst dachte ich, es sei eine optische Täuschung, weil ich so sehr auf den Lichtkegel der Taschenlampe fixiert war, der uns den Weg wies. Um uns herumherrschte pechschwarze Nacht und dennoch hatte ich das Gefühl, ein weißer Schleier liege über der Dunkelheit. Doch als sich unsere Augen an das schwarze Nichts um uns herum gewöhnt hatten, nahmen wir tatsächlich einen Lichtschimmer wahr, der von weiter vorne kam.
    „Sieh mal, da.“ Svea zuckte zusammen, als ich ihr die Hand auf die Schulter legte und in ihr Ohr flüsterte. Sie nickte. Wir wagten es nicht mehr, die Lampe anzuknipsen, und tasteten uns vorsichtig mit Händen und Füßen vorwärts durch den Gang wie zwei Blinde ohne Blindenhund. Zwar war Jasper auch als Blindenhund garantiert eine Fehlbesetzung, aber ich hätte ihn doch gern bei mir gehabt. Ich konzentrierte mich so darauf, selbst kein Geräusch zu machen, dass ich wie angewurzelt stehen blieb, als unmittelbar vor mir ein schepperndes Klonk ertönte.
    „Scheiße, die Taschenlampe“, murmelte Svea. „Ich hab sie fallen gelassen. Bleib, wo du bist.“ Während sie, offenbar auf allen vieren, nach dem kostbaren Stück fahndete, hörte ich plötzlich Stimmen.
    „Rühr mich nicht an!“
    Woher kam das? Von vorne, von hinten? Ich hatte völlig die Orientierung verloren.
    „Mach keine Dummheiten. Leg das weg.“ Eine zweite Stimme, gefolgt von einem scharrenden Geräusch. Dann raste ohne Vorwarnung ein Knall durch unseren Tunnel, der sich seitlich, über und unter uns an den Wänden brach und dessen Echo wie eine Monsterwelle in unsere Gehörgänge donnerte. Adrenalin flutete meine Adern, aber mein Fluchtreflex kapitulierte vor dem ohrenbetäubenden Lärm, und an Angriff war erst recht nicht zu denken. Schreiend ging ichzu Boden, die Hände auf die Ohren gepresst, und drückte den Kopf auf die Knie. Sand rieselte von allen Seiten auf mich herab und instinktiv kniff ich die Lippen zusammen, um ihn nicht auch noch zwischen die Zähne zu kriegen.
    Als ich gefühlte Minuten später wieder zu mir kam und der Knall im Nirwana dieses Labyrinths endlich zu verebben schien, befürchtete ich, meine Trommelfelle hingen in Fetzen vor meinem Innenohr wie der schäbige Aula-Vorhang vor unserer Schulbühne. Langsam löste ich die Hände von den Ohren und hob den Kopf, worauf mir eine Portion Sand aus den Haaren ins T-Shirt rutschte. „Svea? Bist du okay?“ Ich hatte kein Gefühl mehr für die eigene Stimme, wusste nicht, ob ich flüsterte oder laut redete.
    Svea antwortete nicht. Konnte sie mich nicht hören? Konnte ich sie nicht hören? Benommen richtete ich mich auf und kroch in ihre Richtung, bis ich auf etwas Weiches stieß. Ich hatte ihren Oberarm erwischt. „Svea.“ Ich nahm ein ersticktes Schluchzen wahr. Gott sei Dank. Meine Ohren funktionierten noch. „Svea, alles okay bei dir?“ Bevor ich eine Antwort bekam, röhrte eine sich überschlagende Stimme durch den Schacht.
    „Bist du wahnsinnig? Willst du das Teil hier zum Einsturz bringen oder was?“
    Unter ihrer dünnen Windjacke erstarrte Svea ebenso wie ich. Ihre Ohren hatten den Anschlag also auch überlebt. Bevor sich wenigstens darüber so etwas wie Erleichterung in mir breitmachen konnte, passierte alles ganz schnell. Ohne Rücksicht auf Verluste sprang Svea auf, knipste die Taschenlampe an, als sei es ihr

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