Tote essen keinen Döner
natürlich überhaupt nicht«, knurre ich.
»Aber Papa, das ist doch alles für die armen Tiere gedacht.«
»Ich weiß, an den armen Osman denkt sowieso keiner. Ich belle nicht, ich beiße nicht, ich bin stubenrein, und trotzdem hat mich keiner lieb«, jammere ich und lege mit einem weinenden und einem heulenden Auge die schönen Scheine auf den Tisch.
Die freundliche Dame erklärt uns, dass damit jetzt alles erledigt wäre. Nermin bräuchte nur noch das obligatorische Drei-Tages-Seminar zu machen, um einen sogenannten Hundeführerschein zu bekommen. Dort lernt sie, mit |92| einem Hund richtig umzugehen, und es wird ihr beigebracht, wie Hunde denken, empfinden und fühlen. Nermin ist sofort einverstanden. Bei mir müssen sich die beiden etwas mehr anstrengen und einiges an Überzeugungsarbeit leisten. Gerade eben habe ich 90 Euro bezahlt und jetzt muss ich noch mal 150 Euro blechen, damit Nermin lernt, wie Köter denken und fühlen. Was ich aber sehr stark bezweifle, denn nach fast achtzehn Jahren hat sie immer noch nicht gelernt, wie ihr armer, alter leiblicher Vater so denkt und fühlt. Dabei kann ich mich sprachlich viel besser ausdrücken als jeder Hund!
»Papa, Papa, mach du doch auch mit, bitte«, fleht sie.
Na, was hab ich gesagt? Sie hat nicht mal gemerkt, wie sehr mich der Mitgliedsbeitrag und die Seminarkosten geschmerzt haben! Sie will auch noch, dass ich alles doppelt bezahle.
»Papa, es könnte dir wirklich nicht schaden, diesen herrlichen Geschöpfen ein bisschen Verständnis und Liebe entgegenzubringen. Glaub mir, das ist wirklich erlernbar. Ich kann nicht mehr mit ansehen, wie du immer panisch die Straßenseite wechselst, wenn dir eine Oma mit ihrem Mops entgegenkommt; als würde der süße Hund dir auf der Stelle beide Beine abbeißen!«
»Nermin, dann solltest du nicht mich, sondern diese blutrünstigen Kampfhunde zum Seminar schicken, damit sie lernen, arme, harmlose Passanten nicht anzugreifen! Außerdem muss ich ja nebenbei noch arbeiten, damit meine durchgeknallten Kinder ihren verrückten Hobbys nachgehen und Unsummen von meinem Geld für so einen Schwachsinn wie einen Hundeführerschein verschleudern können.«
|93| »Entschuldigen Sie bitte, ich möchte Sie wirklich nicht unterbrechen«, unterbricht uns die Dame, »aber unser Arzt ist gerade da. Wenn Sie wollen, können Sie jetzt Ihre Impfungen machen lassen!«
»Was für Impfungen denn?«, fragt Nermin überrascht.
»Mein Kind, damit Sie unsere armen, niedlichen Hunde nicht mit irgendwelchen fiesen Krankheiten anstecken.«
Die fünf Spritzen, die Nermin in den Hintern verpasst bekommt, tun mir mehr weh als ihr. Ich muss nämlich schon wieder bezahlen. Bei dieser Gelegenheit erkläre ich der Obertierschützerin, dass ich die Idee mit dem Hundeführerschein ja im Grunde nicht nur typisch deutsch, sondern auch sehr vernünftig finde, und frage sie, ob all die Penner, Panks und Faschos am Bahnhofsvorplatz, die ja ihre armen Tiere nach Belieben ständig treten, anschreien und schikanieren, auch diesen Hundeführerschein machen müssen.
Nein, die Hundebesitzer, die vierundzwanzig Stunden am Tag mit ihrem Hund zusammenleben, brauchen das natürlich nicht. Die kennen ja ihren Vierbeiner. Aber diejenigen, die nur ein paar Stunden auf den Hund aufpassen, müssen professionell geschult werden. Das ist genau das Gleiche wie mit Erziehern und Lehrern. Die müssen jahrelang lernen und studieren,damit sie sich um fremde Kinder kümmern dürfen. Aber jeder Penner und jede Pennerin, jeder Hans und Franz, jede Else und Ilse, jeder Osman und jede Eminanim können so viele Kinder produzieren, wie sie wollen, denn dafür gibt’s keinen Führerschein.
Danach fahren wir ohne einen deprimierten Hund – dafür bin ich jetzt deprimiert – wieder weg. Nermin muss nämlich erst mal das Wochenendseminar machen.
|94| Ich setze sie bei einer Freundin ab und betrete kurze Zeit später inkognito und in geheimer Mission den Pizzaladen von Luigi. Wie ein Restauranttester, der sehr geizig mit seinen zu vergebenden Sternen umgeht, oder wie ein Detektiv, der endlich eine heiße Spur zum Mörder gefunden hat, oder vielleicht ganz einfach wie ein besorgter Vater, der zum ersten Mal seinen zukünftigen Schwiegersohn unauffällig unter die Lupe nehmen will. Oder auch wie ein hundemüder Arbeiter, der jetzt seinen Bärenhunger stillen muss. Mit anderen Worten, ich will das Geschäftliche mit dem Angenehmen verbinden. Wobei ich nicht gesagt haben will, dass die
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