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Tote essen keinen Döner

Titel: Tote essen keinen Döner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Heirat meiner Tochter Zeynep mit diesem Luigi als lukratives Geschäft zu bezeichnen ist. Denn diese schönen Zeiten sind leider längst vorbei, in denen Väter mit vielen Töchtern durch das üppige Brautgeld zu wohlhabenden Männern werden konnten. Das Höchste, was ich mir von dieser Heirat erwarten darf, ist ein Topf matschiger Spaghetti mit etwas Tomatensoße und geriebenem Stinkekäse oben drauf. Und dann hat man auch noch die ganzen zusätzlichen Ausgaben für die Hochzeit und die halbe Wohnungseinrichtung für das junge Glück.
    Mehrere tausend Euro für einen jämmerlichen Topf matschiger, stinkender Spaghetti!
    Was für ein Tausch! Ein saumäßiges Geschäft!
    Für ihre Mutter musste ich damals wer weiß was blechen. Aber kaum hatte ich selbst ein paar Töchter, da hat sich die Welt – aus welchen Gründen auch immer – entschieden, diese wundervolle, viele tausend Jahre bewährte Sitte auf der Stelle über Bord zu werfen. Nur um mich fertigzumachen, nur um mich reinzulegen, könnte man |95| denken, gäbe es da nicht viele andere bemitleidenswerte Väter, die auch jede Menge Töchter haben.
    Ich suche mir einen versteckten Platz ganz in der Ecke vom Lokal, sodass ich den ganzen Laden im Blick habe. Hinter mir das »Colosseum«, links an der Wand die »Spanische Treppe« und rechts ein sizilianischer Badestrand mit herrlich kitschigem Sonnenuntergang. Und der Zwerg mit den öligen Haaren da vorne ist höchstwahrscheinlich mein zukünftiger Schwiegersohn Luigi. Aber er sieht richtig hübsch aus – wie alle Italiener eben.
    Diese Pizzahütte ist mit absoluter Sicherheit das einzige italienische Restaurant weit und breit, das einem echten Italiener gehört. Wenn man natürlich so weit geht und die Sizilianer auch zu den Italienern rechnet. Alle anderen italienischen Restaurants, die ich kenne, haben entweder persische, türkische oder kurdische Besitzer, pakistanische oder tamilische Köche und natürlich ausschließlich deutsche Esser. Wieso eigentlich? Können die Deutschen zu Hause nicht mal Spaghetti kochen, oder was? Es ist ja wohl nicht jede Küche hierzulande so eine Baustelle wie unsere.
    Jetzt, wo ich mich gerade mal in aller Ruhe gemütlich hingesetzt und die Beine ausgestreckt habe, merke ich, wie alle meine Muskeln und Knochen schmerzen.
    Luigi kommt lässig, aber doch ausgesprochen höflich zu mir an den Tisch:
    »Gutene Abende, Seniyore«, säuselt er, bemüht um einen charmant klingenden italienischen Akzent.
    »Gutene Abende, meine Junge«, säusele ich zurück.
    »Habene Sie sichä entschiedene?«
    »Ja, meine Junge, ich will essene.«
    |96| »Was denne?«
    »Al dente!«
    »Was, Spaghetti al dente?«
    »Nein, Pizza al dente!«
    »Gibt’s nette.«
    »Was gibt’s denne?«
    »Penne!«
    »Selber Penner!«
    »Nix Pennere, Penne al dente.«
    »Ich nehmene.«
    »Was trinkene?«
    »Eine Wassere.«
    »Grazie, Seniyore!«
    Mein Schwiegersohn hat die erste Prüfung bravourös überstanden. Er scheint ein witziger Junge zu sein. Nicht so blöd herablassend wie unser Mehmet. Nein, der Junge ist genau richtig. Er hat einen eigenen Laden, sieht gut aus und hat Humor. Was will ich mehr?
    »Ich hab’s mir überlegt, meine Jungene, ich geb dir meine Tochtere«, aute ich mich als der Vater von Zeynep. »Für eine Penne al dente?«, fragt er. Seine Schlagfertigkeit überzeugt mich auch.
    »Ja, ja«, lache ich, »aber nur, weil ich heute so einen großen Kohldampf habe. Sonst hätte ich zwei Ferrari und fünf Kamele verlangtene.«
    »Tut mir leidene, wir nehmene nur Bargelde entgegene.«
    Dann ruft er in Richtung Küche:
    »Hey, Luigi, Penne al dente für den Seniyore Zuhältere«, und verschwindet. Mist, das war gar nicht Luigi! Mein armer Schwiegersohn schuftet in der heißen Küche, |97| und ich biete diesem dahergelaufenen, dämlichen Kellner meine hübsche Tochter für ein paar Happen Nudeln an. Wie peinlich!
    Dieser respektlose Bursche hat ja überhaupt kein Benehmen und noch weniger Humor. Wie kann er denn meinen kleinen Spaß ernst nehmen und mich Zuhältere nennen? Wenn Zeynep erst mal seinen Scheffe geheiratet hat, dann werde ich dafür sorgen, dass der freche Kerl sofort gekündigt und nach Sizilien abgeschoben wird.
    Als er wenig später mit meinem Essen ankommt, würdige ich ihn keines Blickes mehr.
    »Gutene Appetite, Seniyore«, sagt er.
    »Danke«, murmele ich, ohne aufzublicken.
    »Lassene Sie sichä schmeckene«, versucht er seinen Fehler wiedergutzumachen.
    »Schmäcktene nickt besondere«,

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