Tote essen keinen Döner
schon, aber er ist nicht mehr unser Gast!«
Ich springe wie von der Tarantel gestochen hoch. Dabei habe ich überhaupt keine Ahnung, ob die armen Leute, die von einer Tarantel gestochen werden, hochspringen oder flachliegen, wenigstens diese Erfahrung ist mir erspart geblieben.
»Wie meinst du das, er ist nicht mehr unser Gast? Hat der sich etwa schon wieder aus dem Staub gemacht?«, rufe ich erschrocken.
»Das will ich damit auch nicht gesagt haben«, antwortet mein nichtsnutziger Sohn, immer noch wie bei den ›Drei Fragezeichen‹.
»Dann sag doch bitte endlich klipp und klar, was du gesagt haben willst«, schimpfe ich ungehalten.
»Meine lieben Eltern, als ihr vor nicht allzu langer Zeit euch am helllichten Tag in der Waschküche neben der Tiefkühltruhe zur Ruhe gelegt habt, mit der läppischen Ausrede, der tote Adolf sei wieder da …«
»Mehmet, du Idiot, du hast doch selber gesagt, dass der Tote wieder da ist. Beinahe wärst du damit als Muttermörder in die Geschichte der Kriminalistik eingegangen!«
»Osman, spiel hier nicht den Helden, du warst an einem Herzinfarkt viel näher dran als ich«, bemerkt Eminanim.
»Kann schon sein, aber ich wollte Mehmet nicht auch |114| noch einen Vatermord anhängen. Ich denke, mit Muttermord und Adolfmord wäre er auch so schon ganz gut bedient, oder.«
»Leute, zankt euch doch nicht darüber, wer die Hosen voller hatte als der andere. In dieser Hinsicht passt ihr auf jeden Fall sehr gut zusammen – wie der berühmte Topf mit dem noch berühmteren Deckel obendrauf. Was ich die ganze Zeit sagen will, ist, wir haben natürlich, wie es sich für die Familie Engin gehört, eine Leiche im Keller in unserer Tiefkühltruhe – aber es ist leider nicht unsere alte Stammleiche Adolf, auch bekannt unter dem bürgerlichen Namen Dominique Nachtigall!«
»Bei Allah, ich krieg die Krise! Du meinst, wir haben schon wieder einen anderen Toten im Haus?«
»Wenn man ihn inzwischen nicht wieder zurückgenommen oder umgetauscht hat – ja!«
Alle drei rennen wir nach unten in den Keller.
»Meine lieben Eltern, als ihr es euch gerade auf dem Fußboden gemütlich gemacht hattet, wollte ich die Taschen des Rückkehrers durchsuchen, ob er vielleicht neue Briefe für uns im Gepäck hat. Dabei habe ich entdeckt, dass der Neue zwar genauso tot war wie Adolf, aber dass er nicht Adolf heißt und auch nicht Dominique Nachtigall, sondern Rudolf Übelsocke!«
»Rudolf Übelsocke? Was ist das denn für ein bescheuerter Name?«
»Ich vermute mal, dass das auch ein Künstlername ist. Ich hab ihn ständig mit Adolf zusammen gesehen, und so wurde er von den anderen Übelsocken auch gerufen. Er ist genauso alt wie Adolf, er sieht genauso daneben aus wie Adolf und lag genau wie Adolf seit Jahren dem Staat auf |115| der Tasche. In seiner Tasche wiederum fand ich dann das Schreiben von der RNU, das du mir von meinem Schreibtisch weggeschnappt hast.«
»Und er stinkt genauso wie Adolf«, sagt Eminanim angewidert und hält sich die Nase zu, nachdem sie sich unsere neue Leiche gründlich angeschaut hat.
»Mit unseren Leichen hätte Patrick Süskind jedenfalls große Mühe gehabt, ein neues Parfüm zu kreieren«, gibt Mehmet seiner Mutter recht.
»Das reicht mir jetzt langsam, dass jeder hier bei uns seine Leiche entsorgt! Ich kaufe gleich nachher ein riesengroßes Schloss für unsere Kellertür.«
»Eminanim, das hättest du früher machen müssen, bevor wir diese Leiche bekommen haben. Lassen wir die Tür doch erst mal noch eine Weile offen, vielleicht holen die ihn ja auch wieder ab. Aber was ich nicht kapiere, ist, warum um Allahs willen müssen alle toten Rechtsradikalen der Stadt auf ihrem Weg in die Hölle einen Zwischenstopp bei uns im Keller einlegen, kann mir das jemand von euch verraten?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht wollen sie sich ja auf ihrem letzten Weg noch schnell bei uns dafür entschuldigen, was sie in ihrem ganzen Leben den Ausländern angetan haben. Anscheinend sind sie keine Katholiken, sonst hätten sie ihren Zwischenstopp auf einem Beichtstuhl gemacht.«
»Aber wieso immer bei uns? Wir sind doch nicht die einzige ausländische Familie in der Stadt!«
»Wie gesagt, ich weiß es nicht! Aber ich weiß ganz genau, dass man mich für seinen Tod nicht verantwortlich machen kann. Ich hab mit dem Kerl nie zu tun gehabt, was heißen soll, ich habe mich noch nie mit ihm geprügelt.«
|116| »Da täuschst du dich aber gewaltig, mein Sohn! Jeder weiß doch, dass du der
Weitere Kostenlose Bücher