Tote essen keinen Döner
von Emotionen ranzugehen. Eine zeitliche Distanz ist in vielen Fällen genauso hilfreich wie eine räumliche.«
»Verzeihung, Herr Engin, ich muss gestehen, ich verstehe überhaupt nicht, wovon Sie reden«, unterbricht |198| Kommissar Beinbrecher meinen kriminalpsychologischen Vortrag und macht demonstrativ das Fenster auf. Ich verstehe das Zeichen sofort! Ob unten schon Reporter auf mich warten?
»Machen Sie bitte das Fenster zu, dann werde ich noch deutlicher.«
»Frieren Sie etwa?«, sagt er und schließt widerwillig das Fenster.
»Ja, ich zittere die ganze Zeit.« Einen Sturz von einem Stuhl kann man nämlich überleben, aus dem Fenster hingegen kann die Sache aber schon ganz schön brenzlig werden.
»Also, was ich die ganze Zeit sagen will, ist: Auch Nazis können Adolfs abmurksen! Umso mehr, wenn sie schon Parteigenossen wie Rudolf über die Klinge in die Tiefkühltruhe springen lassen.«
»Herr Engin, die beiden Skinhääds, die Sie von ihrem Fenster aus beobachtet haben,sind auf keinen Fall die Mörder von Rudolf Meyerdierks. Das steht schon mal fest. Die beiden hatten lediglich die Aufgabe, dessen Leiche zu entsorgen, und haben sie in Ihrem Keller deponiert. Weil sie der Überzeugung waren, dass Sie ihren Kameraden Dominique Nachtigall getötet und auch in Ihrem Keller versteckt haben.«
»Mit der Leiche von Rudolf wollten sich die beiden sozusagen an Ihnen wegen Adolf rächen«, mischt sich nun auch Kommissar Knochenhauer wieder in das Gespräch ein.
»Aber Adolf war bei denen genauso unbeliebt wie Rudolf. Das habe ich bei der Wahlveranstaltung der RNU von vielen Leuten gehört.«
|199| »Das stimmt, das haben wir auch herausbekommen. Aber was wollten Sie eigentlich da?«
»Wie jeder verantwortungsvolle Bürger wollte ich mich vor der Wahl über deren politisches Grundsatzprogramm informieren.«
»Bei der Wahlveranstaltung einer rechtsradikalen Partei?«
»Ich habe keine Vorurteile, man muss jedem eine Chance geben.«
»Wie auch immer, die beiden Skinhääds haben mit dem Mord an Rudolf nichts zu tun. Wir haben von denen einige sachdienliche Hinweise zur Tat bekommen, auch wenn sie glauben, dass sie nichts verraten haben. Unsere Kollegen gehen im Augenblick diesen Spuren nach. Herr Engin, was wir Ihnen vorwerfen, ist …«
»Ich denke, ich sollte ohne meinen Anwalt nichts mehr sagen!«
»Sie meinen, über Ihren toten Nachbarn in Ihrem Keller?«
»Ich habe keinen toten Nachbarn in meinem Keller!«
»Gut, dann ist es besser, Sie rufen Ihren Anwalt an!«
»Ich hab leider auch keinen Anwalt.«
»Sie könnten aber gut einen gebrauchen.«
»Können Sie mir einen Rechtsanwalt empfehlen? Na ja, das lassen wir lieber, so rechts möchte ich den Anwalt dann auch wieder nicht haben.«
»Spätestens, wenn wir die Laborergebnisse von der Spurensicherung aus Ihrer Wohnung bekommen, brauchen Sie einen Rechtsanwalt. Die beiden Skins haben nämlich unabhängig voneinander bis ins kleinste Detail geschildert, wie und wo Dominique Nachtigall in Ihrer Tiefkühltruhe |200| lag. Und dass Sie ihn zwischenzeitlich weggeschafft und danach wieder zurückgebracht haben. Bemerkenswerterweise kurz bevor wir Ihre Wohnung durchsucht haben.«
»Erstens stimmt das alles nicht, und zweitens, wenn das stimmen würde, spricht das mehr gegen Sie als gegen mich.«
»Sie geben also zu, dass Ihr Nachbar, Herr Dominique Nachtigall, bei Ihnen im Keller war?«
»Ich gebe gar nichts zu! Seitdem wir in diese Wohnung eingezogen sind, haben wir mehr Publikumsverkehr im Haus als Sie hier im Polizeipräsidium. Da kann er natürlich genauso gut bei uns im Keller gewesen sein. Unser Hausmeister Warmbier hat auch des Öfteren beobachtet, dass dieser Adolf nachts völlig besoffen nach Hause gekommen ist, seine Schlüssel nicht finden konnte, auf der Straße randaliert hat und schließlich über das Fenster in unserem Keller, weil unser Kellerfenster ja direkt neben der Haustür ist, in seine Wohnung ging. Ein paarmal soll er dort unten sogar eingeschlafen sein. Eine unmögliche Situation, mit der keiner der Nachbarn so richtig glücklich war. Besonders, wenn man bedenkt, dass er in seinem Zustand jedes Mal ganz schön hässliche Parolen gegrölt hat.«
»Sie meinen, alle Bewohner des Hauses hätten genug Gründe, um Dominique Nachtigall kaltzumachen und in die Tiefkühltruhe zu stecken? Ist das nicht eine recht heftige Reaktion für ein paar Nächte Randale?«
»Ich persönlich habe diesen Adolf ja noch nie gesehen – weder tot
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