Tote Finnen tanzen keinen Tango: Kriminalroman (German Edition)
ist, brauchst du dich nachher nicht zu beschweren.«
Der Stilwechsel machte Kuhala so sprachlos, dass er erst recht nicht nachgeben wollte. Schmunzelnd stand er auf Vikmans Hofpflaster. »Jokela hat mir ein bisschen was über Ihre Vergangenheit erzählt.«
»Ich hab dich gewarnt …«
Kuhala machte keinerlei Anstalten, zurückzuweichen, obwohl Vikman inzwischen einen halben Meter vor ihm stand und zum Schlag ausholte. Flucht wäre die falsche Taktik gewesen, und jetzt konnte er endlich mal die Ausweichbewegung von dem Mohammed-Ali-Video testen, die er am Sandsack trainiert hatte, mit Seitenblick auf das Video in Zeitlupe.
Der Entschluss barg sein Risiko, weil ein ehemaliger Söldner unter Umständen widerwärtige Tricks auf Lager hatte. Der Schlag kam zischend, mit schwindelerregender Kraft, und nahm eine lehrbuchhafte Bahn, doch die Ausführung war zu steif, weshalb Kuhala leicht ausweichen konnte. Er hob seine Deckung. Der zweite Versuch kam nicht, und es wäre ja auch nichts unschicklicher gewesen als ein Faustkampf zweier erwachsener Männer mitten an einem schönen Sommertag.
Vikman schien seine im Sonnenbad erschlafften Energievorräte verschwendet zu haben und badete nun in Schweiß. Die Wut in seinen Augen erlosch. Was auf den ersten Blick nach Frauenheld mit Schalk in den Augen ausgesehen hatte, war in Wahrheit ein Nervenbündel.
Kuhala entspannte sich und überlegte, ob Vikman womöglich Bewährung hatte, mit der es auf einen Schlag vorbei gewesen wäre, wenn sein Hieb gesessen hätte.
»Die Frau war hier.«
»Helena Jokela?«
»Ja, die.«
»Und?«
»Wir haben uns nach langer Zeit wiedergesehen und … na ja, nichts ist wahrer als die Tatsache, dass sie in einem Zustand, wie er besser nicht sein kann, von hier mit ihrem Kajak weggefahren ist.«
»Direkt nach Hause?«
»Nee, Richtung Campingplatz. Helena hat gemeint, sie kennt nichts Besseres, als in Ruhe zu paddeln und dabei nachzudenken. Sie kann ihren Alten nicht ertragen, aber das müssen die unter sich ausmachen. Und unser Verhältnis war … ist, na ja, es ist jetzt okay, und von Heiraten war bis jetzt noch nicht die Rede.«
»Wann ist sie hier weggefahren?«
»Wann war das … so um acht, neun am Abend.«
Vikman starrte ungläubig auf seine Linke, als hätte
die sich von allein zum Schlag entschlossen gehabt, dann richtete er den Blick wieder auf Kuhala. »Ertrunken
ist Helena nicht. Sie hatte eine Schwimmweste, und sie kann schwimmen. Und windstill war es auch. Wo ist sie hin?«
Sie gingen zum Ufer. Die nachlassende Aggression hatte Vikman gesprächig und kooperationsbereit gemacht. Er bückte sich, um sich das Gesicht zu waschen. Die Narbe an der Schulter war fünfzehn Zentimeter lang und mehrere Jahre alt.
Der Mann stand auf und spuckte Wasser aus. »Da drüben führt der Fluss zum Alvajärvisee, wo eine Lehrerin wohnt, die Helena kennt. Vielleicht ist sie dahin, vielleicht kann sie nicht mehr nach Hause. Hey, das von eben, das tut mir leid. Können wir das vergessen? Ich hab wahrscheinlich ein bisschen zu viel in der Sonne gelegen in den letzten Tagen, vielleicht auch ein paar Bier zu viel gehabt.«
Immerhin reichte er nicht die Hand zur Versöhnung, aber Kuhala sagte, er sei bereit, es zu vergessen. »In meinem Beruf gewöhnt man sich an alles. Man hat schon versucht, mich zu erschießen, mich zu erwürgen und wer weiß was sonst noch alles, aber ich nehme noch immer Klienten in Empfang.«
6
8. Juni Auf dem Campingplatzgrün blakten die Grills vor den Wohnmobilen. Ein Flugechsendrachen war an einem Ast hängen geblieben und glotzte, wie zum Zeichen dafür, dass der Sommer begonnen hatte. Vorerst wagten es nur wenige, schwimmen zu gehen, aber am Strandabschnitt jenseits des zerrissenen Volleyballnetzes hatte eine Sandburgschau Volk um sich versammelt. Am Wassersaum war außerdem eine ebenfalls aus Sand geformte weibliche Figur zu erkennen, an der Wellen und Sommerhitze nagten.
Kuhala ruderte am Winterbadesteg vorbei und legte sich Formulierungen für seine nächste Zeitungsannonce zurecht. Sie könnte durchaus die Erwähnung enthalten, dass er unter anderem auf Einsätze spezialisiert war, die mit dem Ruderboot erledigt werden mussten. Er zog Jokelas Boot an Land. Eine fette Möwe brütete auf einer Boje über ihrer nächsten Maßnahme und erschrak vom Poltern der Ruder derart, dass sie Kuhala gegenüber den Schnabel aufsperrte.
Er überquerte den Sand und den Weg und steuerte den Paddelbootverleih an. Dort saß ein Mann
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