Tote Finnen tanzen keinen Tango: Kriminalroman (German Edition)
blickte sich um. Es war Raatikainen, und aus irgendeinem Grund ging ihm der Anblick des alten Freundes so zu Herzen, dass er um ein Haar in Tränen ausgebrochen wäre. Um seine Rührung zu verbergen, fragte er Raatikainen, was er hier durch die Gegend schleiche.
»Das wollte ich dich auch gerade fragen. Solltest du nicht in der Horizontalen liegen?«
»Ich musste pissen. Und ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist. Wer hat das noch gesagt? Meine Aufgabe ist es, in dieser Welt zu leben und an ihrer Freude und Trauer teilzuhaben. Jetzt ist es mehr das Letztere, also Trauer. Ich bin anscheinend auf eine Mine getreten.«
»Du hast da eine Ente in Reichweite«, sagte Raatikainen und musterte Kuhala besorgt.
Dieser schwor, gar nicht erst anzufangen, mit der Pinkelvase zu hantieren. Außerdem werde er garantiert noch vor Mittag verschwinden.
»Das ist dein berühmtes ostbottnisches Erbe. Du hast mit viel Glück den Einsturz eines halben Hauses überlebt und träumst davon, schon wieder unter die Zivilisten zu gehen. Aber wenn Jeri nur einmal an der Leine zieht, fällst du auf die Schnauze.«
»Ach ja. Danke, dass du dich um ihn gekümmert hast.«
Raatikainen half Kuhala ins Bett und lobte die Anpassungsfähigkeit des Hundes. »Du solltest stolz auf ihn sein. Ich weiß nicht, ob man dir erzählt hat, dass du eine ziemliche Explosion mitgemacht hast. Der Hund ist über die Treppe zu dir gerannt.«
»Wie hat er die Tür aufgekriegt? Die ging doch nach außen auf?«
»Keine Ahnung. Hunde haben einen starken Willen. Na, das Haus ist immerhin nicht ganz eingestürzt.«
»Verflucht … hat es in der Zeitung gestanden?«
Raatikainen nickte. »Groß in beiden Boulevardblättern, die Hyänen sind sogar mit dem Hubschrauber eingeschwebt. Eine titelte: ›Tapferer Hund rettete Privatdetektiv‹.«
Kuhala schluckte und fragte, ob es Jeri auch wirklich gut gehe.
»Ja. Man darf ihn aber nicht mit ins Krankenhaus bringen. Leg dich hin, du siehst schlecht aus.«
»Ich habe durch den Briefschlitz Beine gesehen. Wie ist es deren Besitzer ergangen?«
»Kannst du die Wahrheit vertragen?«
Kuhala faltete das Kissen doppelt und ließ sich auf die Decke fallen. In dieser Haltung würde er auch die Nachricht vom Erlöschen des Mondes entgegennehmen.
Der Gefräßige, also Make Honka, hatte gefesselt und geknebelt im Flur seiner Wohnung auf einem Stuhl gesessen, circa vier Meter von der Wohnungstür entfernt. Jemand hatte eine Sprengladung an der Tür angebracht, die auf den ersten Versuch, in die Wohnung zu gelangen, reagierte. »Die Sprengwirkung der Bombe war so eingestellt, dass sie sich nach innen richtete, also auf den Gefräßigen.«
Tatsächlich hatte die Spezialvorrichtung im erhofften Sinn funktioniert: Während Kuhala an einem Stück in den Krankenwagen verfrachtet worden war, hatte man Make Honka von der Tapete gekratzt und in einen Müllsack geschaufelt. »Es war ein Wunder, dass draußen niemand in den Glassplittersturm geriet. Auch dein Hund nicht. Das ist das, was die Zeitungen schreiben, aber die Bilder sprechen für sich«, sagte Raatikainen.
»Scheiße.«
»Allerdings. Der Eindringling hätte sonst wer sein können. Der Wasserableser, der Gebührenkontrolleur.«
»Die kommen aber nicht mit Gewalt rein.«
»Stimmt«, sagte Ratsku ernst.
»Woher wusste der Täter, dass jemand hineinwollte? Allerdings konnte ja auch jemand einen Schlüssel haben. Aber nun sind mein Hund und ich in die Schlagzeilen gekommen.«
Kuhala wischte sich mit dem Nachthemdärmel die Schweißperlen von der Oberlippe und schwieg eine Weile. Die Vorstellung, dass der Gefräßige die ganze Zeit bei Bewusstsein gewesen war und gewusst hatte, was passieren würde, sobald jemand zu Besuch käme, war scheußlich. Die Falle war teuflisch gewesen. Wem konnte man nur ein solches Ende wünschen?
Kuhala blickte aus dem Fenster und vermutete, dass seine frommen Gedanken niemandem nützten. Die Welt hatte die Haut der Unschuld schon vor ewigen Zeiten abgeworfen, und an einen Slogan wie »jetzt geht es richtig ab« wurde in allen Kreisen geglaubt – auch unter Wahnsinnigen, die andere Leute in die Luft jagten. »Wenn du schon so viel weißt, kannst du mir dann auch sagen, warum in dem Haus niemand außer dem Unglücklichen gewohnt hat? Ist er überhaupt als Honka identifiziert worden?«
»Ja. Zum Abriss verurteilt. Sie wollen ganz Savipelto dem Erdboden gleichmachen. Die Kästen sind nach heutigen
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