Tote Finnen tanzen keinen Tango: Kriminalroman (German Edition)
den Ankömmling erkannte. Raatikainen sonnte sich und hatte eine verlockend schwitzende Bierdose in Reichweite stehen. Seine Augen waren von der Baskenmütze verschattet, aber man sah in ihnen den Genuss des Müßiggangs funkeln. »Herzlich willkommen unter den Lebenden!«
Der Hund stürzte sich auf Kuhala, als wollte er ihm erzählen, wie sehr ihn die Explosion erschreckt hatte.
»Kluges Tier. Wir kommen gut miteinander aus«, lachte Raatikainen. »Rate mal, wer dein Auto von Savipelto auf den Krankenhausparkplatz gefahren hat?«
»Danke. Du hast dir viel zu viel Mühe gemacht, ich zahle dir auf jeden Fall …«
»Ich sage das nicht deshalb. Im umgekehrten Fall würdest du es genauso tun.«
Der Lieferwagen eines DSL-Installateurs schlitterte mit überhöhter Geschwindigkeit in die Kurve, Kies spritzte auf. Kuhala hatte ein Schmerzmittel genommen und hütete sich vor schnellen Bewegungen. Ihm schien, als wären die Farben des Sommers in der Holzhaussiedlung intensiver geworden während seines wenige Tage langen Klinikaufenthalts, aber musste man sich darüber wundern, wenn die Zeit der schönsten Blüte ohnehin bloß zwei lächerliche Wochen anhielt? Er gab Raatikainen etwas als Lohn für seine Mühe, obwohl der alte Freund es nicht annehmen wollte.
»Vielleicht brauche ich dich unter ähnlichen Umständen mal wieder.«
»Hast du vor, noch mal in eine Bombenfalle zu spazieren?«
»Das nicht. Aber jetzt werden Jeri und ich zu Hause die Lebensmittel verstauen und gucken, ob alles in Ordnung ist.«
Raatikainen bremste Kuhala und bot ihm seinen berühmten Saft an. »Ein Bier ist für dich vielleicht nicht das Richtige, wo du ja auch mit dem Auto hier bist. Ich hab mich über Make Honka alias der Gefräßige erkundigt. Er ist ein alter Bekannter der Polizei. Hat von seinem kurzen Leben schon sieben Jahre hinter Gittern verbracht. Versuchter Totschlag, Handel mit Diebesgut und vor zwei Jahren ist er auf wundersame Weise aus seinem Drogenfall herausgekommen. Er hat hier in Jyväskylä die Verteilungskanäle organisiert und offensichtlich auch die sogenannte Abschreckungsabteilung strukturiert.«
Kuhala versuchte sich zu erinnern, ob er Raatikainen um ermittlungstechnische Hilfe gebeten hatte oder ob dessen Polizeiinstinkte nach dem Anschlag von Savipelto von selbst erwacht waren. »Woher weißt du das alles, Mensch?«
»Hat in der Zeitung gestanden. Heutzutage bekommen die Polizeireporter jede Menge Ressourcen, weil ihr Geschreibsel Leser bringt. Und … na ja … ich hab schon auch ein paar eigene Kanäle aktiviert. In dem Gefräßigen haben wir nicht gerade ein unschuldiges Vögelchen verloren. Was zum Teufel hatte Antikainen bloß mit dem zu schaffen gehabt?«
»Informant?«
»Gut möglich, aber wie passt dann Antikainens Verschwinden ins Bild?«
Von dem Regenschauer von vorhin merkte man nichts mehr, die Sonne schien mit voller Kraft am wolkenlosen Himmel. Die Schatten der Pflaumenbäume zeichneten sich scharf auf Ratskus Rasen ab, und das heimelige Summen einer Hummel weckte Jeris Aufmerksamkeit.
»Ich hab in der Brennholzkiste eine Boulevardzeitung von gestern als Anzünder. Warte kurz, ich hol sie. Das interessiert dich doch, oder?«
Kuhala nickte und klimperte mit den Autoschlüsseln in der Hosentasche. Plötzlich stabilisierte sich seine durch den Schock noch immer etwas schwankende Haltung, und sein Blick auf die Eiswürfel in der Johannisbeersaftkaraffe wurde nachdenklich. Jemand war im Krankenhaus in seinem Zimmer gewesen, als er benommen am Rand des Schlafs dahintrieb und von den Medikamenten ausgelöste Filmstills betrachtete. Jemand, der ihn berührt hatte.
An Annukka erinnerte er sich. Und an Raatikainen und an zwei Leute vom Personal. Natürlich musste es Leena gewesen sein! Seine Exfrau arbeitete im selben Komplex und hatte selbstverständlich von dem Fall gehört. Kuhala war von der Erkenntnis so gerührt, dass er sich abwandte, als er Raatikainen mit der Zeitung unterm Arm zurückkommen sah. Das Handy klingelte.
»Kuhala.«
»Hallo. Hier ist Tatu. Wie geht’s dir so? In der Zeitung war ein Artikel mit deinem Namen und einer Explosion und so … Ich hab mir Sorgen gemacht und hätte dich auch besucht, aber Mama hat gemeint, sie sei bei dir gewesen, und du würdest es überstehen.«
»Gerade habe ich an deine Mutter und an dich gedacht. Schön, dass du anrufst«, sagte Kuhala und erzählte, er sitze in einer paradiesischen Umgebung, wo man sich mit süßem Saft volllaufen lassen
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