Tote Finnen tanzen keinen Tango: Kriminalroman (German Edition)
ausweichen, weshalb sich ihre Knie berührten.
»Entschuldigung«, sagte Kuhala.
Aila Antikainen wurde bis zum Hals rot und verschwand aus dem Zimmer. Sie hatte ein Kekssortiment auf den Tisch gestellt und drängte es Kuhala auf. »Wie sah er aus?«
»Entschuldigung, wer?«
»Sakari. Du hast ihn doch gefunden.«
Kuhala sagte, er spreche nicht gern darüber. Er wollte auch nicht lügen und sagen, Antikainen habe friedlich in der Grube gelegen. Alle Toten, auf die er in seiner Laufbahn gestoßen war, hatten ausgesehen, als hätten sie noch Jahre leben wollen, als wären sie entsetzt über das, was sie im Jenseits als Erstes zu Gesicht bekamen.
28
27. Juni Kuhala machte mit Jeri einen Rundgang durch die neuen kurzen Straßen rund um die Huutokorventie, sie trugen Namen wie Kaikutie, Kuisketie und Mökäpolku. Den eigens angelegten waldwegweichen Trimm-dich-Pfad säumten rot gestrichene Laternen. Eine Frau in knappem Laufdress joggte vorbei. Hier und da hatte man vereinzelte Kiefern gnädig stehen lassen, sie erinnerten daran, dass es hier vor wenigen Jahren noch natürlichen Wald gegeben hatte. Aber auch wenn alle noch so sehr für grüne Werte eintraten, mussten ja schließlich auch die Flughörnchenfanatiker irgendwo wohnen.
Jeri hob das Bein und zermahlte zwischen den Zähnen ein Stück Rinde, das er unter einer Heckenrose gefunden hatte. Nach einer halben Stunde Spielen gab Kuhala dem Hund Wasser und band ihn mit der Leine hinter dem Auto im Schatten an. »Guter Junge. Warte kurz, ich bin in dem Haus dort. Du musst nicht nervös werden, wenn ich eine Weile drin bleibe.«
Die Wohnung befand sich im zweiten Stock eines verklinkerten kleinen Etagenhauses ohne Aufzug. Im Flur war es still, es roch nach Bohnerwachs und frischer Farbe. Auf der Einwohnertafel stand hinter der Wohnungsnummer 29 der Name Meltaus.
Im Zweiten angekommen, spürte Kuhala, dass sein Puls ein Niveau erreicht hatte, das in keinem Verhältnis zu der Anstrengung des Treppensteigens stand. Der Raketenstart vor der Tür des Gefräßigen flimmerte als Horrorbild vor seinem inneren Auge und brachte die Hände zum Schwitzen und den Puls außer Rand und Band. Ein neuer Turboflug wäre absolut zu viel für seine vom späten mittleren Alter bereits erweichten Knochen, aber Antikainen würde in sein Notizbuch wohl nicht nur die Bekannten eingetragen haben, die Bomben an ihrer Wohnungstür installierten. Oder etwa doch? Eero Meltaus war ein so harmloser Name, dass man sich einen Pantoffelhelden vorstellte, der seit Jahren seine Arbeitszeit im öffentlichen Dienst absaß, keiner Fliege etwas zuleide tat und in den Gratiszeitungen der großen Handelsketten sämtliche Artikel las, deren Überschrift mit den Worten begannen »Jetzt ist die Zeit, um …«. Und der sie ernst nahm.
Kuhala horchte an der Tür und wartete ab, bis sich sein Atem beruhigt hatte. Er blickte sich um, sah sich bereits zwischen Backsteinbrocken und Staub in der Ecke liegen wie die Dummen und die Leidgeprüften in den Zeichentrickfilmen, denen das Leben niemals zulächelt.
Er traute sich nicht zu läuten, denn er war sicher, dass an der Klingel ein faustgroßes Stück Semtex angeschlossen war, ein tüchtiges mit Tape zusammengehaltenes Bündel Trotyl, das ihn über den nächsten Höhenzug hinweg bis auf den Päijännesee schleudern würde. Hinter ihm ging eine Tür auf. Kuhala hätte um ein Haar laut geschrien, konnte sich aber gerade noch beherrschen. Vor Schreck drückte er die Klingel und trat zur Seite, damit ihm Meltaus und das Mobiliar von dessen Wohnungsflur nicht direkt ins Gesicht flogen.
Die ältere Frau aus der Nachbarwohnung ging zur Treppe und lächelte Kuhala unter ihrem Hut herauf zu, als hätte sie in ihrem langen Leben schon alles gesehen und wunderte sich kein bisschen, dass ein fremder Mann in ihrem Treppenhaus herumstand.
»Wieder heiß heute. Jemand hat seinen Hund draußen angebunden. Hoffentlich muss er nicht lange in der Hitze liegen, der arme Kerl.«
Kuhala zog eine Grimasse und klingelte erneut. Offenbar hatte sich eine Störung in den Stromkreis der Bombenkonstruktion geschlichen, eines von den Kabeln bekam keinen Kontakt. Nur ein Atemzug, und die gesamte Huutokorventie würde sich in einen Schutthaufen verwandeln. Ein letzter Atemzug.
Die alte Frau schien ihr Selbstgespräch über Jeris schweres Schicksal auch in den unteren Etagen fortzusetzen. Eero Meltaus öffnete die Tür und entsprach ganz und gar nicht den Vorstellungen des verstörten
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