Tote Fische beißen nicht: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (German Edition)
seine Zuneigung zu Tatjana damit zu tun? Interessiert ihn alles nur noch im direkten Zusammenhang mit ihr?
Pippa schüttelte den Kopf. Sie mochte nicht glauben, dass das der Grund sein sollte. Und wenn doch? Tatjana hatte sich nicht für Teschke interessiert – also interessierte Wolfgang sich auch nicht für ihn? Oder war das Gegenteil der Fall?
Und seine Freunde anlügen konnte er auch, so viel stand fest. Immerhin behauptete er seit einem Jahr, mit Pippa eine Affäre zu haben, um von seiner wahren Liebe abzulenken.
Wieder schüttelte sie den Kopf. Heute soll mir das alles egal sein, dachte sie, heute will ich mich nur amüsieren und Kultur genießen: Tolosa, ich komme!
Sie zog den Stadtplan aus der Tasche, fuhr mit dem Finger die gelb eingezeichnete Route nach und vertiefte sich in die Erklärungen und Empfehlungen, die Régine ihr dazu aufgeschrieben hatte.
Nach weniger als einer Stunde trat Pippa in Toulouse auf den Bahnhofsvorplatz und sah sich nach der automatischen Fahrradverleihstation um, die Régine ihr ans Herz gelegt hatte. In einer langen Reihe standen silberne Fahrräder mit leuchtend roter Abdeckung über den Hinterrädern, die für ein paar Euro benutzt werden konnten. Sie schnappte sich eines davon, schwang sich in den Sattel und gondelte los. Beinahe kam sie sich vor wie zu Hause in Berlin, während sie durch die Straßen kreuzte und weiteren Radlern begegnete, von denen viele ebenfalls mit einem Leihfahrrad aus einer der zahlreichen Stationen in der Innenstadt unterwegs waren. Endlich fühlte sie sich einmal völlig frei und unkontrolliert.
Mühelos fand sie den ruhigen Place Saint-Georges. Er war gepflastert und von Häusern umgeben, wo im Erdgeschoss gastronomische Betriebe mit Tischen im Freien lockten. Pia saß auf einer Bank in der Mitte des Platzes und winkte ihr schon von weitem zu. Pippa stellte das Rad ab und umarmte die Freundin.
»Für uns ist im Le Wallace ein Tisch reserviert«, sagte Pippa und zog Pia mit sich zur großen Kaffeebar. Sie suchten auf der Außenterrasse nach Tisch 3 und setzten sich.
Ein Kellner servierte unaufgefordert den von Régine versprochenen Kaffee, der sich tatsächlich als vorzüglich herausstellte.
»Wie läuft es auf der Baustelle?«, wollte Pia wissen.
Pippa lachte. »Seit unserem Gespräch gestern Abend sind meines Wissens keine Katastrophen passiert. Alles bestens.«
»Und du denkst wirklich, dass es Leo ist, der sich heute mit dir treffen will?« Pia wiegte den Kopf. »Ich habe da meine Bedenken. Vielleicht ist es auch jemand, der dich einfach mal einen Tag aus Chantilly weglocken will, um dich vom Hals zu haben. Genug Staub hast du ja aufgewirbelt.«
»Wohl eher Schlamm als Staub«, sagte Pippa, »und das gleich in zwei Fällen.«
»Bist du sicher, dass die beiden Fälle nicht zusammengehören?«, fragte Pia mit Spannung in der Stimme.
Die Frage überraschte Pippa für einen Moment, aber dann nickte sie. »Ziemlich sicher. Warum sollte der Mord an einem Berliner Rentner etwas mit dem Verschwinden von Jean Didier zu tun haben? Außerdem: Franz Teschke hat sich nicht einmal an den Nachforschungen über Didier beteiligt!«
»Vielleicht hat er es ja doch getan, und du weißt es nur nicht«, gab Pia zu bedenken. »Was, wenn er sein neu erworbenes Wissen versilbern wollte und damit an den Falschen geraten ist?«
Pippa starrte die Freundin entgeistert an. »Erpressung?«
»Warum denn nicht?« Pia zuckte mit den Schultern. »Wer anderen eine Grube gräbt …«
»Das wäre natürlich möglich«, sagte Pippa nachdenklich, »aber dann müsste ich auch die Legrands und die Didiers als Verdächtige in Betracht ziehen. O nein, daran will ich nicht einmal denken.«
»In was habe ich dich da nur hineinmanövriert! Ich mache mir wirklich Vorwürfe.« Pia ergriff Pippas Arm. »Bitte hör auf zu ermitteln. Ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn dir etwas passiert. Und Karin mir erst recht nicht.«
Pippa runzelte die Stirn. »Du hast sie informiert? Wunderbar – alles, was ich aus gutem Grund verschweige, wird zuverlässig von anderen nach Berlin gemeldet.«
»Was denkst du denn? Dass ich seelenruhig zusehe, wenn ein zu allem entschlossener Mörder dich durch eine wassergefüllte Bobbahn schickt?« Pia war sichtlich in Sorge. »Ich musste mich einfach mit Karin beraten: über Teschkes Tod, die Anschläge auf dich, einfach alles.«
»Dann habt ihr sicher die ganze Nacht telefoniert. Ein Wunder, dass du jetzt schon hier sitzt.«
»Musste ich.
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