Tote Fische beißen nicht: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (German Edition)
letzte Bemerkung gemeint hatte.
Aus Verlegenheit versuchte sie es mit Ironie. »Verstehe – Angler sind eher konservativ.«
»Hm«, brummte er.
Plötzlich kam ihr eine Idee. »Vorschlag: Ich spiele deine Freundin, und wir fangen sofort damit an. Es würde seltsam aussehen, wenn wir uns weiterhin siezen, nicht wahr? Aber ich habe eine Bedingung.«
»Raus damit«, sagte er erleichtert.
Pippa erzählte ihm vom Haus in der Rue Cassoulet und dem damit verbundenen Ermittlungsauftrag. »Du könntest dein kriminalistisches Gespür einsetzen und mir helfen«, schloss sie.
»Sehr gern! Wenn das alles ist. Und die Jungs spanne ich auch ein. So kommen sie in den fangfreien Zeiten nicht auf dumme Gedanken und tun noch ein gutes Werk.«
»Mir oder dir?«
Als sie ins Camp zurückkehrten, hatte Wolfgang den Arm um sie gelegt. Die Männer am Frühstückstisch blickten ihnen neugierig entgegen, und Schmidt stellte sie offiziell als seine Freundin vor.
»Ach herrje«, sagte Franz Teschke, »noch eine mehr, die plappert.«
»Oder abspült«, schlug Achim Schwätzer gallig vor.
Vinzenz Beringer sah gelassen von einem zum andern. »Oder angelt.«
»Bloß nicht«, keuchte Schwätzer entsetzt, gab aber für den Rest des Frühstücks Ruhe.
Pippa und Schmidt meldeten sich freiwillig zum Spüldienst, was am Tisch Gejohle und jede Menge Sprüche auslöste, in denen das Wort »Turteltäubchen« mehrfach vorkam. Dann nahmen die meisten Männer ihr Angelzeug und gingen zum Ufer. Nur Vinzenz Beringer schlenderte am See entlang, die Hände in den Hosentaschen, und blieb ab und zu stehen, um über das Wasser zu blicken.
»Ihr seid eine ziemlich bunt zusammengewürfelte Truppe, oder?«, fragte Pippa.
Schmidt wühlte ungeschickt in der Schüssel mit heißem Wasser und jeder Menge Schaum. Er reichte ihr eine glitschige Tasse nach der anderen. »Sind wir das? Keine Ahnung. Ich kenne sie alle schon seit Urzeiten und habe mich an ihre Eigenheiten längst gewöhnt. Aber auf dich als Außenstehende wirken wir wohl etwas seltsam.«
»Ich habe die meisten erst vor ein paar Minuten kennengelernt, aber euer Bruno ist mir schon an der Mautschranke positiv aufgefallen.«
Schmidt prustete los. »Das war typisch Bruno! Er sieht aus, als würde er Lämmchen bei lebendigem Leib den Kopf abbeißen, ist aber der sanfteste Mann, den ich kenne. Er hat ein Herz aus Gold. Geistig manchmal ein bisschen langsam, aber das macht er durch seine Güte dreimal wett. Er betreut Obdachlose und setzt sich dafür ein, dass sie ein Heim bekommen, in dem ihre Hunde willkommen sind.«
»Bewundernswert. Und dieser verhinderte Kommisskopp?«
»Blasko. Von wegen verhindert. Er ist ein echter Oberfeldwebel und schafft es leider nur selten, seinen Rang zu vergessen.«
Pippa trocknete sich die Hände ab und sah sich um. »Wir sind fertig, oder? Ich zisch dann mal ab. Auf mich warten drei Männer, die mich für mein Erscheinen gut bezahlen.«
Wolfgang Schmidt schnappte unwillkürlich nach Luft und sah sie alarmiert an.
»Professor Archibald Rutledge von der Washington University in Seattle, Professor Benedetto Libri, Universität Venedig, und Professor Ludwig Trapp, Freie Universität Berlin«, erklärte Pippa, um ihn zu erlösen.
Der Kommissar atmete sichtlich erleichtert aus. »Papiertiger – mit denen nehme ich es allemal auf.«
Pippa lachte, denn Wolfgang Schmidt nahm seine Rolle als eifersüchtiger Partner ernster, als sie erwartet hatte. »Und nicht vergessen, du hast versprochen, die Kiemenkerle für den Cassoulet-Fall zu angeln. Ich verlasse mich darauf.«
»Versprochen.«
Pippa wandte sich zum Gehen, als Gerald Remmertshausen, sein Mobiltelefon am Ohr, gerade in einem der Steilwandzelte verschwand. Als sie an dem Zelt vorbeikam, hörte sie seine aufgebrachte Stimme: »Natürlich weiß ich, dass Sie mir keine Erfolgsgarantie geben können – aber ich muss es wenigstens versuchen. Wenn Sie nicht mit mir zusammenarbeiten wollen, suche ich mir eine andere Klinik!«
Manche nehmen ihren Job sogar mit in den Urlaub, dachte Pippa amüsiert. Genau wie ich.
Kapitel 6
K urz darauf saß Pippa am Schreibtisch und schob zum wiederholten Male die Stapel ihrer Übersetzungsarbeit von einer Seite auf die andere. Keine der nach Themen geordneten Briefsammlungen konnte sie ausreichend fesseln. Ihr Blick wanderte immer wieder aus dem Fenster, hinüber zum Anglerlager.
Nur wer eine eigene Melodie hat, darf auch auf die Welt pfeifen, stand auf einem der Materialordner,
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