Tote Fische beißen nicht: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (German Edition)
nicht ablenken lassen.
»Warum bist du hier?«, wiederholte sie unerbittlich. »Sag es – und dann verschwinde wieder.«
Statt ihre Frage zu beantworten, ging er zum Kühlschrank und sah hinein. »Ich habe noch nicht gefrühstückt. Ich schlage vor, wir lassen uns etwas kommen und besprechen alles in Ruhe.«
Pippa schnappte nach Luft. »Was gibt es denn zu besprechen, das wir nicht schon hundert Mal besprochen haben?«
»Unsere Ehe.«
»… ist vorbei, mein Lieber. Oder sind dir die Scheidungspapiere nicht zugegangen?«
»Ich glaube einfach nicht, dass du die Scheidung willst. Ich dachte, du liebst mich. Ich habe akzeptiert, dass du etwas Zeit für dich brauchtest … aber jetzt …« Er zauberte ein liebevolles Lächeln ins Gesicht. »Du hast doch noch Gefühle für mich, oder, cara mia ? Ich jedenfalls liebe dich noch wie am ersten Tag. Und ich bin gewillt, das zu beweisen.«
Da war er wieder – der charmante Italiener mit dem Schmelz in der Stimme, in den sie sich verliebt hatte. Er war der attraktivste Mann, den sie kannte: hochgewachsen, eisgraue Haare, Lachfältchen im braungebrannten Gesicht, stets lässig-elegant gekleidet, immer bella figura.
Und natürlich hatte sie noch Gefühle für ihn – wie könnte sie nicht? Nur durch die Entfernung zwischen Florenz und Berlin hatte sie es geschafft, sich von ihm zu lösen.
Abrupt drehte sie sich um und ging ins Bad.
Geduscht und angekleidet fühlte sie sich deutlich stärker. Als sie ins Zimmer zurückkam, stand Leo an ihrem Schreibtisch und blätterte in ihren Arbeitsunterlagen.
»Na, wie macht sich deine Übersetzung? Professore Libri hat interessante Ansätze, nicht wahr?«
»Woher …?« Sie stemmte die Hände in die Seiten. »Du hast von der Festschrift gewusst. Moment – hast du den Auftrag eingefädelt?«
»Natürlich, ich habe dich vorgeschlagen«, erwiderte er stolz. »Wie hätte man sonst wohl auf dich kommen sollen?«
»Ja, wie wohl«, sagte sie resigniert. Die Erkenntnis, dass sie den Auftrag nicht ihrem guten Namen als Übersetzerin verdankte, enttäuschte sie zutiefst.
»Professore Libri nutzt unsere Dienste seit vielen Monaten. Vor allem für seine privaten Belange. Er zahlt gut. Und ich wollte dir mit diesem Auftrag zeigen, welch interessante Arbeit in Italien auf dich wartet, cara .«
»Unsinn. Du willst, dass ich dir dankbar bin. Und du willst mich daran erinnern, wie leicht ich über dich immer an Übersetzungsaufträge gekommen bin.«
Als Antwort zuckte er mit den Schultern und strahlte sie an.
»Bezeichnend, dass du ausgerechnet dieses Thema ausgewählt hast, Leo. Neben deinem Macho-Gehabe wirkt Hemingway wie ein weichgespülter Kuschelbär.«
Er zuckte nicht mit der Wimper. »Wo wir gerade von Übersetzungen sprechen: Deine Anwesenheit in Italien ist mehr als erwünscht. Und zwar über die drei Trennungsjahre hinaus.«
»Und ich dachte immer, Trennung bedeutet, sich nicht zu sehen. Das habe ich wohl gänzlich falsch verstanden.«
Ihre Ironie prallte wirkungslos an ihm ab. »Ich bin Anfang des Jahres in das Übersetzungsbüro meines Bruders eingestiegen«, fuhr er ungerührt fort. »Seit Claudio von Carla geschieden ist, schafft er die Arbeit nicht mehr allein, zumal wir expandieren wollen. Wir planen ein Büro in Mailand und eins in Venedig.«
»Du bist nicht mehr an der Uni? Ich fand immer, du passt perfekt an die Fakultät, an der Boccaccio sein Decamerone geschrieben hat.«
»Er hat Lektionen über Dantes Göttliche Komödie gehalten – das Decamerone hat er in seiner Freizeit geschrieben«, dozierte Leo prompt.
»Eben – genau wie du«, schoss Pippa zurück.
Leo runzelte die Stirn und sah sie grimmig an. Ihr fiel ein, dass er es nicht leiden konnte, wenn man sich über ihn lustig machte.
»Ich will mir mit den Büros ein zweites Standbein aufbauen«, sagte er schließlich. »Mehr zu Hause arbeiten. Hast du dir das nicht immer gewünscht?«
»Ja, damals, als ich noch bei Claudio arbeitete. Jetzt nicht mehr. Du scheinst vergessen zu haben, dass ich bereits länger als ein Jahr aus Florenz weg bin.«
»Und genau das will ich wieder ändern.«
Er drehte sich um und ging zur Tür, denn es hatte geklopft.
Sichtlich verblüfft starrte Alexandre Tisserand den unbekannten Mann an, der ihm geöffnet hatte.
Dann spähte er an Leo vorbei, entdeckte Pippa und sagte: »Guten Morgen, Pippa. Da bin ich.« Er warf einen irritierten Blick auf seine Armbanduhr. »Bin ich zu früh? Die Forellen warten auf
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