Tote Fische beißen nicht: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (German Edition)
Besorgt ging sie um den Lieferwagen herum und entdeckte vorne rechts einen platten Reifen, in dem ein großer Nagel steckte.
»Verdammt. Verdammt. Verdammt.«
Während sie darüber nachdachte, wie es weitergehen sollte, ertönte aus ihrer Hosentasche ein leises Geräusch.
»Geralds Smartphone!«, rief sie vor Erleichterung laut aus und zog es hervor. »Dein Besitzer wird mir sicherlich verzeihen, wenn ich dich benutze!«
Auf dem hellen Display leuchtete eine Textnachricht, die sie – ohne es zu wollen – automatisch las: Ergebnis wie erwartet. Wiederherstellung chancenlos. Clinique privée Hôpital Saint-Georges, Toulouse.
Pippa war über sich selbst erschrocken, weil sie die an Remmertshausen gerichtete Nachricht gelesen hatte. Heilfroh sah sie, wie der Text automatisch vom Display verschwand. Sie versuchte, die Nummer des Vent Fou einzutippen, aber das Gerät verweigerte ihr den Dienst, indem ein neuer Text aufleuchtete: Pin-Nummer eingeben.
Müssen diese neuen Dinger denn für alles und jedes gesichert sein? Hat sich denn die ganze Welt gegen mich verschworen?, dachte sie verzweifelt. Immerhin, der Regen hat nachgelassen. Dann werde ich es mal per pedes versuchen.
Hoffentlich freuten sich Ferdinand und Pascal wenigstens darüber, dass sie gut versichert war …
Sie folgte dem Weg bis zu den großen Trittsteinen im Bach, wo ein kleiner Wegweiser zum Lac Chantilly zeigte. Gott sei Dank ist der Weg gut ausgeschildert, dachte sie, ich sollte ohne Probleme zurückfinden …
Sie trat auf den ersten Stein und blickte fasziniert ins schäumende Wasser, das sich zwischen den Steinen hindurchdrängte und in Kaskaden weiter in Richtung Lac Chantilly floss.
Vorsichtig balancierte sie weiter über die glitschigen Quader. Als sie das andere Ufer erreicht hatte, knackten hinter ihr Zweige, und sie fuhr erschrocken herum. Nichts bewegte sich zwischen den Bäumen, und sie atmete auf.
»Dies ist ein Wald, Pippa«, murmelte sie. »Wenn hier Zweige knacken, dann ist das völlig normal. Jetzt ist Dämmerung, die Jagdzeit für die Tiere des Waldes. Alles ist in Ordnung – nur du bist eine Memme.«
Ihre Atmung hatte sich gerade wieder beruhigt, als ein Kiesel viel zu nah an ihrem Kopf vorbeisauste und gegen einen Baumstamm prallte. Von der Wucht des Einschlags splitterte Rinde ab und rieselte zu Boden.
Pippa sah sich wütend um. Wo waren diese vier Monster? So klein seid ihr nicht mehr, dass euch nicht klar ist, wie fürchterlich so etwas schiefgehen kann, dachte sie. Ich habe jedenfalls kein Interesse an einem Loch im Kopf. Ein bisschen Kinder-Voodoo ist eine Sache, eine David-und-Goliath-Schleuder eine andere.
»Jungs, das ist jetzt gerade kein Spaß mehr!«, rief sie in den Wald hinein. »Außerdem: Redet mal mit Cedric – der hat die Seiten gewechselt! Genauso wie eure Frau Maman!«
Bis auf das Rauschen des prompt wieder einsetzenden Regens hörte sie keinen Laut.
»Ich arbeite nicht nur für die Legrands – ich arbeite auch für euch!«, versuchte Pippa es weiter. »Wir sind keine Feinde! Niemand ist gegen euch!«
Sie entschied, auf die andere Seite zurückzugehen, um ihren guten Willen zu demonstrieren. Als sie den Fuß auf den ersten Trittstein setzte, flog das nächste Wurfgeschoss direkt an ihrem Gesicht vorbei, gefolgt von weiteren, die immer schneller in ihre Richtung flogen. Es grenzte an ein Wunder, dass sie nicht getroffen wurde. Eilig sprang sie ans Ufer zurück und verschanzte sich hinter einem Baum, während der Regen stärker und dichter wurde.
»Jungs?«, schrie sie durch das Rauschen. »Marc? Eric? Franck? Seid doch vernünftig!«
Pippa hielt den Atem an und lauschte. Niemand antwortete auf ihr Rufen, aber es flogen auch keine Kiesel mehr. Sie wartete noch einige Minuten, doch es blieb ruhig.
Sie beschloss, sich bis zur trockenen Rigole zu schleichen, von der Tisserand gesprochen hatte. In der Deckung des betonierten Kanals schaffte sie es hoffentlich mit heiler Haut bis hinunter zum See.
Und dort unten, meine Lieben, werden wir ein ernstes Gespräch führen, dachte sie grimmig, denn meine Geduld ist erschöpft. Ihr glaubt, ihr wisst, wie stark der Autan bläst? Das ist ein laues Lüftchen gegen den Wind, den ich machen kann. Macht euch auf etwas gefasst.
Sie kroch langsam durch das Unterholz und versuchte, so wenig Geräusche wie möglich zu machen. Als sie die betonierte Rigole erreicht hatte, ließ sie sich vorsichtig hineingleiten und ruinierte sich dabei mit Algen und Moos die
Weitere Kostenlose Bücher