Tote gehen nicht
Lutz Winkelmann hält sich tatsächlich in der Gerolsteiner Jugendherberge auf«, bestätigte sie.
»Natürlich ist er da«, sagte Edgar. »Ein Mann ein Wort. Lutz ist in Ordnung. Er ist mein bester Freund.«
Sonja lachte. »Er ist Ihr Gegner, Herr Dr. Schramm, wann kapieren Sie das endlich? Sie gehen gegeneinander über den Eifelsteig.«
»Aber Lutz würde nie ...«
»Er will den Posten des Chefarztes – um jeden Preis, davon müssen Sie ausgehen. Er könnte der Vierte im Bund Ihrer Feinde sein. Telefonieren Sie regelmäßig?«, fragte Sonja.
»Jeden Abend vom Quartier aus«, flüsterte Edgar betreten.
»Weiß er von der Blutspur, die Sie hinter sich herziehen?«
Er schien zu zögern, ehe er antwortete. »Nein. Ich wollte ihn nicht belasten.«
Sonja schüttelte den Kopf. »Nobel, aber unlogisch. Wenn er in ein paar Tagen über Gemünd und Einruhr und Blankenheim geht, wird er es doch sowieso erfahren.«
»Schon«, meinte Edgar. »Aber ich habe gehofft, dass Sie bis dahin den Mörder haben.«
»Sie sind sich sehr sicher.«
»Natürlich. Sie sind gute Polizisten, und ich bin kein Mörder.«
»Wie auch immer«, sagte Sonja seufzend. »Sie müssen Ihren sogenannten Freund auch heute Abend unbedingt anrufen, damit er nicht auf krumme Gedanken kommt.«
»Aber mein Handy ...« Er klopfte sich auf seine leeren Hosentaschen.
Edgars Handy hatte die Spurensicherung zur Beweisaufnahme mit in die KTU Bonn genommen.
»Nehmen Sie ein Hoteltelefon und sagen Ihrem sogenannten Freund, Ihr Akku sei leer.«
»Ich kenne seine Nummer nicht auswendig. Sie ist in meinem Handy eingespeichert.
»Mist! Heilige Technik! Wie ist Ihre PIN?«, rief Sonja und betete, dass er sie nicht vergessen hatte, sonst musste sie den netten Kollegen aus der Abteilung Computerkriminalität noch einmal belästigen. Das hätte unnötig Zeit gekostet.
Edgar wusste seine PIN noch. Ein Anruf bei Matthias Krings genügte, und Sonja wusste Winkelmanns Handynummer. Wesseling ließ sie sich in seine rote Kladde diktieren.
»Was soll ich ihm sagen?«, fragte Edgar.
»Sagen Sie, alles ist gut«, meinte Wesseling.
Und das stimmte sogar, dachte Sonja. Sie schienen plötzlich aus der Sackgasse ohne Wendemöglichkeit einen Ausweg gefunden zu haben. Der Rest war nur noch eine Frage der Organisation, die Wesseling in die Hände nahm. Dr. Edgar Schramm sollte mit den Kommissaren Neugebauer und Brummer ein Dreibettzimmer im Hotel Talblick beziehen. Das Essen sollte ihm aufs Zimmer gebracht werden. Morgen früh sollte er die nächste Etappe des Eifelsteigs gehen, als sei nichts geschehen. Die siebte Etappe, von Blankenheim nach Mirbach, war seine nächste Etappe, aber auch seine letzte Chance, wenn sich der Verdacht, der auf ihm lastete, nicht auf einen seiner Feinde verlagerte. Er würde unsichtbaren, als Wanderer getarnten Begleitschutz haben.
»Wir müssten einen Lockvogel haben«, sagte Sonja.
»Für Grund und Winkelmann brauchen wir keinen«, winkte Wesseling ab.
»Aber für Rita Funke sollten wir eine Frau an Edgars Seite gehen lassen.«
»Nein. Nein. Das ist zu gefährlich«, meinte Wesseling.
Sonja war beharrlich. »Aber toll wäre es.«
Brummer und Neugebauer begannen plötzlich zu glucksen.
Wesseling musterte sie pikiert. »Was gibt es hier zu lachen?«
»Wir könnten den da wieder nehmen«, schlug Neugebauer vor, zeigte auf Guido Schramm und prustete los.
Von Guido kam ein erstickter Protestlaut.
»Wir haben gesagt, eine Frau!«, erinnerte Wesseling die lustigen Kommissare. »Bitte bedenken Sie den Ernst der Lage.«
»Aber wir könnten ihn verkleiden«, schlug Sonja vor und wurde bei der Vorstellung wieder munter.
»Vergessen Sie es!«, schrie Guido entsetzt.
»Minirock!«
»Nie und nimmer!«
»Highheels«
»Nein!«
»T-Shirt mit sooooo einem Ausschnitt!«
»Nicht mit mir!«
»Das Ganze in Pink oder Lila!«
»Ich bin doch nicht schwul!«
»Mit Pailletten«
»Da geh ich lieber ins Gefängnis!«
»Gekrönt von so einer Vogelnest-Frisur.«
Unterbrochen von Guidos Angstschreien warfen sich die Kollegen der Soko Eifelsteig voller Übermut die Bälle zu. Wesseling ließ sie mit mildem Lächeln gewähren, wie Kinder, die lange nicht draußen gespielt hatten.
»Was ist eine Vogelnestfrisur?«, wollte er wissen und beugte sich zu Sonja.
Sonja türmte ihre Haare zu einem Knäuel auf. »Wie Amy Winehouse sie trägt.« Sie sah ihm an, dass er nicht wusste, wer das war. »Eine Sängerin.«
»Von hinten würde man es nicht
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