Tote gehen nicht
fragte Sonja. »Zum Beispiel Ihr Wettgegner?«
»Nein, der doch nicht, das ist mein Freund«, antwortete Edgar unwillig und fügte hinzu: »Mein einziger Freund.«
»Verraten Sie uns seinen Namen?«
»Dr. Lutz Winkelmann«, flüsterte Edgar.
»Lutz?«, rief Guido dazwischen. »Etwa der Lutz, den Rita vom Schiff aus angerufen hat?«
»Rita hat Lutz angerufen? Das kann nicht sein ...!«, Edgars Stimme kippte weg.
»Lutz Winkelmann«, murmelte Wesseling und notierte den Namen in seine rote Kladde, klappte sie geräuschvoll zu und lehnte sich zurück.
Die Flut der Gedanken, die über die Soko Eifelsteig und die Schramm-Brüder hereinbrach war hörbar, wie das Ticken der Kuckucksuhr über der Tür. Es vergingen Sekunden, ohne dass jemand einen Laut von sich gab.
Schließlich war Edgars resignierte Stimme zu vernehmen. »Lutz rollt den Eifelsteig von hinten auf. Er hat in Trier begonnen. Heute übernachtet er in Gerolstein«.
»In welchem Hotel?«, fragte Sonja.
Unter den Zetteln, die Edgar auf dem Stammtisch verteilt hatte, lag auch Lutz’ Etappenplan. Er fuhr mit dem Finger über die Zeilen und Kästchen und antwortete. »In der Jugendherberge. Wollen Sie die Telefonnummer haben?«
»Moment«, Sonja zückte ihr Handy und tippte die Zahlen ein, die Edgar ihr nannte.
Als das Gespräch angenommen wurde, verließ Sonja Senger hastig die Bauernstube, lief auf dem Flur auf und ab, während sie die Leiterin der Jugendherberge fragte, ob ihr Freund, ein Dr. Lutz Winkelmann, bereits eingetroffen sei.
Das war er und zwar kurz nach 16 Uhr. Er habe ein Einzelzimmer für eine Nacht reserviert. Er sitze gerade draußen am Grillplatz.
»Könnte ich ihn sprechen?«, fragte Sonja mit gesenkter Stimme und machte das Flurlicht, das automatisch ausgegangen war, nicht wieder an.
»Eigentlich machen wir das nicht. Er hat doch sicher ein Handy.«
»Ich hab es versucht. Vermutlich haben Sie da ein Funkloch. Bitte, holen Sie ihn ans Telefon. Es ist dringend.«
»Gut. Aber nur ausnahmsweise.«
»Das ist sehr freundlich. Danke!«.
Sonja wartete im Dunklen, ging bis zum Ende des Flurs und stellte sich an das Fenster, das zum Hinterhof zeigte. Vier Müllcontainer und Abfallbehälter standen auf der geteerten Fläche. Ein Rollwagen mit schmutziger Wäsche wurde von einer Frau an einen weißen Transporter herangefahren und entleert. Ein anderes Auto brachte Lebensmittel, Tiefkühlkost. Ein wenig erinnerte Sonja die Szene an ein Verhör, das sie vor einiger Zeit im Schleidener Krankenhaus hatte führen müssen. Die Versorgung der Gäste oder Patienten unterschied sich nicht sehr voneinander. Sie überlegte, um wen es damals gegangen war.
»Ja! Winkelmann!«, sagte ihr Handy. »Hallo! Wer ist denn da?«
Sonja drückte auf den roten Knopf ihres Handys und sagte zufrieden: »Er ist da.«
Sie hatte schon die Hand auf der Klinke der Bauernstube, als ihr der Fall im Schleidener Krankenhaus wieder einfiel. Ein Arzt, der keinen Doktortitel hatte, obwohl er ihn trug, war aufgefallen. Ein Trickbetrüger, der sich nicht besonders clever angestellt hatte.
Sie ließ die Klinke los, als wäre sie ein heißes Eisen.
Die Telefonnummer der Klinik am Wald fand sie im Telefonbuch, das die freundliche Rezeptionistin ihr zur Verfügung stellte. Den dortigen Chef ans Ohr zu bekommen, dauerte etwas länger. Er war sehr beschäftigt.
Sonja konnte ihm nicht beweisen, dass ihre telefonische Anfrage im Dienste der hiesigen Polizeibehörde war. Dr. Hagen war deshalb nur bedingt bereit, Auskünfte über die doctores Schramm und Winkelmann am Telefon zu geben. Beide seien sehr fähige Oberärzte. Einer von ihnen werde demnächst den Posten des Chefs übernehmen.
»Wer denn?«, hakte Sonja nach.
Das sei noch offen, meinte Dr. Hagen. Sonja bat ihn eindringlich vor seiner Entscheidung die Personalakten der beiden Ärzte einer genauen Überprüfung zu unterziehen.
»Ich wüsste nicht, wozu«, meinte er abweisend. »Und überhaupt, was geht Sie das an?«
»Tun Sie es einfach, oder lassen Sie es bleiben.«
Er versprach in gereiztem Ton, gegebenenfalls Kontakt mit der Polizeibehörde Euskirchen aufzunehmen, falls er dazu komme.
Sonja war zufrieden, ihr genügte es im Augenblick vollauf, das Korn des Misstrauens gesät zu haben. Sie hätte wetten können, dass Hagen gleich seine wichtigen Geschäfte stehen und liegen ließ und in die Personalabteilung stürzte. Guter Mann, dachte sie und kehrte zufrieden in die Bauernstube zurück.
»Dr.
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